© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/18 / 16. Februar 2018

Wer kauft die Schulden der HSH Nordbank
Schiffskredite: Die amerikanischen Finanzinvestoren Cerberus und J.C. Flowers bieten 700 Millionen Euro
Henning Lindhoff

Zehn Jahre später ist von dem Traum, der größte Schiffsfinanzierer der Welt zu werden, nichts mehr übrig. Wenn die HSH Nordbank Ende Februar 2018 in die Annalen eingeht, wird das ganze Schuldendebakel der Landesbank zutage treten. An diesem Tag läuft die Abwicklungshilfe der Bundesländer Hamburg und Schlewig-Holstein aus, und ein privater Investor soll übernehmen.

Jahrelang wuchs die deutsche Containerschiff-Flotte – finanziert auch mit zahlreichen Krediten der HSH-Bank. Deren Banker hätten proaktiv dafür gesorgt, daß zu viele Schiffe auf den Markt kommen, lautet die Kritik von Jan-Hendrik Többe, Geschäftsführer der Reederei Zeaborn. Eine verfehlte Expansionsstrategie mit herben Folgen für die Steuerzahler. „Die Leute wurden danach bezahlt, wie viele Kredite sie verkaufen“, vermutet Wirtschaftswissenschaftler Martin Hellwig, ehemaliger Vorsitzender der deutschen Monopolkommission.

Doch ab 2008 fielen im Zuge der Finanzkrise die Frachtraten weltweit. Reeder, die kurz zuvor noch großzügige Kredite für überdimensionierte Flotten von der HSH erhalten hatten, konnten ihre Schulden nicht mehr bedienen. Die Bank mußte allein im ersten Krisenjahr Gesamtabschreibungen von rund 1,1 Milliarden Euro vornehmen.

2009 analysierte die Deutsche Bank, von den 66 Milliarden Euro HSH-Krediten seien lediglich 21 Milliarden Euro sicher. Bis zu 17,9 Milliarden Euro Steuergelder flossen in den Folgejahren aus der Schleswig-Holsteinischen Hauptstadt Kiel und Hamburg, um die Landesbank künstlich am Leben zu halten.

Doch nicht nur die HSH-Banker hatten mit viel zu großen Augen nach Renditen im zweistelligen Bereich geschielt, wie sie in den Geschäftsberichten einst blumig versprochen wurden. Auch Landesfürsten wie Schleswig Holsteins Peter Harry Carstensen stehen im Verdacht, sich bereichert zu haben. Die Staatsanwaltschaft prüft das.

Lediglich ein Drittel der Kredite galt als „sicher“

Das Desaster wurde ab 2008 kleingeredet. „Man darf diesen Verlusten gar nicht ins Auge schauen, denn wenn die maritime Wirtschaft wieder Fahrt gewinnt, ist die HSH Nordbank unverzichtbar“, sagte Frank Horch, Präsident der Handelskammer Hamburg, noch im Februar 2009. Auch Hamburgs Oberbürgermeister Olaf Scholz konnte selbst im Oktober 2015 beim besten Willen nur „Gespenster im Rathaus herumspuken“ sehen, wurde er auf die Pleitebank angesprochen. Und im Sommer 2017, mitten im Verkaufsprozeß, malte auch der aktuelle HSH-Vorstandschef Stefan Ermisch wieder alles in rosa Farben. Die Bank sei ordentlich saniert, ihre Kapitalausstattung „bärenstark“.

Seine Einschätzung jedoch steht auf tönernen Füßen. Keine deutsche Bank zeigt Interesse am toxischen Kreditberg, der vom großen Traum der HSH übriggeblieben ist. Einzig ein Konsortium aus den US-amerikanischen Finanzinvestoren Cerberus und J.C. Flowers & Co. bietet 700 Millionen Euro.

Schleswig-Holsteins grüne Finanzministerin Monika Heinold muß gar froh darüber sein, am Ende nicht draufzahlen zu müssen. Um die Nordbank überhaupt noch für potentielle Investoren aufhübschen zu können, wurde von Hamburg und Schleswig-Holstein eine eigene Abwicklungsanstalt namens HSH Portfoliomanagement gegründet. Diese nahm Schulden in Höhe von 2,4 Milliarden Euro auf und kaufte der HSH Kedite im vermeintlichen Wert von 4,1 Milliarden Euro ab. Als Sicherheit dienten 253 Schiffe. Analysten schätzen den aktuellen Realwert der Schulden jedoch auf nicht mehr als 1,9 Milliarden Euro.

Eine Zehn-Milliarden-Euro-Bürgschaft, die bleibt

Und auch wenn Cerberus und J.C. Flowers zubeißen, kommen die Regierungen in Hamburg und Kiel nicht mit einem blauen Auge davon. Denn hinzu kommt eine Zehn-Milliarden-Bürgschaft der Länder, die auch im Verkaufsfall in voller Höhe bestehen bleibt. Der gigantische Berg an wertlosen Schrottkrediten läßt nichts anderes zu als eine volle Inanspruchnahme. Der Verkauf ändert daran nichts.

Auf 10 bis 16 Milliarden Euro wird die Last für die Steuerzahler aktuell geschätzt. Dem steht ein möglicher Verkaufserlös von 700 Millionen Euro gegenüber. Bis zum 28. Februar muß der Kaufvertrag unterzeichnet und die Bank umbenannt worden sein. Sollten alle Bemühungen bis dahin erfolglos bleiben, müßte das Kreditinstitut abgewickelt werden. So entschied es die EU-Kommission vor zwei Jahren. Diese behält sich vor, potentielle Käufer genau zu überprüfen und das geplante Geschäftsmodell anzusehen.

Auf die Möglichkeit, Cerberus und Flowers hätten einen Hauch von strategischem Interesse an einer Bank voll mit toxischen Papieren, sollte nicht allzuviel Geld gesetzt werden. Dem Konsortium geht es wahrscheinlich allein um die Frage, wieviel Geld in kurzer Zeit mit den noch vorhandenen Forderungen realisiert werden kann. Die wertlosen Reste der Bank könnte man danach weiterreichen.

Die möglichen neuen Inhaber machen zumindest keine rosigen Versprechungen. Ganz anders Finanzministerin Heinold: Ihre Meldung „Raus aus der Schuldenfalle“ vom 23. Januar verrät nichts über die kommende Mehrbelastung durch die mindestens Zehn-Milliarden-Euro-Bürgschaft, die sich die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein werden teilen müssen. In der frohen Kunde des Finanzministeriums tauchen die fünf Milliarden Euro nicht auf.

HSH Portfoliomanagement www.hshpm.de