© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/18 / 16. Februar 2018

Notwendiges Ausmisten
Antisemitismus: Die AfD sollte den Aufräumprozeß der FPÖ aufmerksam verfolgen
Kurt Zach

Antisemiten hätten in der FPÖ keinen Platz, verkündete jüngst der Vizekanzler und Parteichef der Freiheitlichen Heinz-Christian Strache im Nachgang der „Liederbuch-Affäre“ um den FPÖ-Politiker Udo Landbauer. War das ein Kniefall, eine unnötige Verbeugung vor dem Zeitgeist, wie manche anschließend murrten? Nein, es war eine notwendige und überfällige Klarstellung. Eine Regierungspartei, die in der ersten Liga spielt, kann es sich schlicht nicht leisten, mit Sektierern und Kellernazis zu kokettieren oder sie achselzuckend gewähren zu lassen. 

Darüber zu klagen, daß das Buch mit seinen unappetitlichen Texten natürlich nicht zufällig vor der niederöstterreichischem Landtagswahl in den Medien lanciert wurde, ist müßig. Denn, man kann es nicht oft genug wiederholen, wer oben ankommen, Verantwortung übernehmen und gestalten will, der darf sich solche Blößen eben nicht geben. Daß Medien und Öffentlichkeit auf der Rechten schärfer, sensibler, hysterischer hinschauen als auf der Linken, ist zweifellos ungerecht, aber es gehört nun mal zur Lage, die sich nicht über Nacht ändert und die ein politisch denkender und handelnder Mensch auf der Rechnung haben muß.

Man darf es Strache und seiner Führungsriege durchaus abnehmen, daß sie es ernst meinen mit der klaren Distanzierung von Antisemiten und Irrlichtern. Es wäre nicht der erste derartige Häutungsprozeß, den die FPÖ vollzogen hat. Den Weg zur Politik- und Regierungsfähigkeit säumt eine Reihe solcher klarer Schnitte. Von der 1966 abgespaltenen und 1988 behördlich verbotenen „Nationaldemokratischen Partei“ (NDP) und ihrem Personal haben die Freiheitlichen sich stets eindeutig abgegrenzt. Der FPÖ-Chef, der als Jugendlicher selbst in zwielichtigen Kreisen unterwegs gewesen war, dürfte die Notwendigkeit dazu aus eigener Erfahrung am besten kennen. Zu den österreichischen Besonderheiten gehört zweifelsohne, daß sein mit dem FPÖ-Eintritt erfolgter Bruch mit allen „Jugendtorheiten“ schließlich auch vom politischen Gegner akzeptiert wurde. 

Die enge Verflechtung der FPÖ mit dem waffenstudentischen Milieu ist eine weitere österreichische Besonderheit mit langer Tradition. Vor allem die überwiegend national und patriotisch ausgerichteten Burschenschaften sind eine tragende Säule des freiheitlichen Akademikertums, das Mittelstand und freie Berufe prägt und über die Zeitläufte das Rückgrat des weder klerikalen noch sozialistischen „Dritten Lagers“ war, dessen parteipolitische Manifestation wiederum die FPÖ ist.

Daß unter den Mandataren und Funktionären der Freiheitlichen Burschenschafter und Mitglieder von Pennalverbindungen überdurchschnittlich häufig anzutreffen sind, ist daher genausowenig verwunderlich wie die gehäufte Präsenz von Angehörigen katholischer Verbindungen in der ÖVP oder von Gewerkschaftern in der SPÖ. Schon gar nicht ist es Ausdruck einer irgendwie gearteten rechtsextremen „Unterwanderung“, die etablierte österreichische und bundesdeutsche Medien nicht müde werden „aufzudecken“. 

So unsinnig und verleumderisch es ist, die breitgefächerte und gesellschaftlich verwurzelte Korporationsszene in Österreich pauschal als „extremistisch“ zu brandmarken, so wenig läßt sich freilich übersehen, daß es auch in diesen Kreisen Betonköpfe gibt, die sich – lange unbeachtet – in einer von der Realität abgekoppelten ideologischen Parallelwelt bewegen.

Burschenschaften und freiheitliche Akademiker können den Erfolg der FPÖ beträchtlich voranbringen und selbst von ihm profitieren. Voraussetzung ist freilich, daß sie selbst mit dem politischen Anspruch, den gerade die Burschenschaften hochhalten, in den Herausforderungen an den Nationalstaat der Gegenwart ankommen, statt fruchtlose Schlachten von gestern zu schlagen.

Daß die FPÖ als nunmehrige Regierungspartei in diesem Prozeß den Takt setzt, ist nur folgerichtig. Das erfordert freilich Fingerspitzengefühl. Wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, drohen Spaltungen und tiefe Verwerfungen. Das Ende der Ära Haider ist als Menetekel noch in Erinnerung. Mit Verboten läßt sich Umdenken kaum erzwingen. Daß das vom FPÖ-Strategen Herbert Kickl geführte Wiener Innenministerium gleichwohl ein Auflösungsverfahren gegen die unrühmlich in die Schlagzeilen geratene Pennalverbindung Germania zu Wiener Neustadt eingeleitet hat und Parteichef Strache die Geschichte seiner Partei von einer Historikerkommission aufarbeiten lassen will, demonstriert jedenfalls, wie ernst die Lage und der Wille zum Neuanfang ist.

In der Bundesrepublik Deutschland stellen sich die Kernfragen ähnlich. Die AfD wird gut beraten sein, die Antworten der FPÖ sorgfältig zu studieren und daraus ihre eigenen Schlüsse zu ziehen. Die basisdemokratische Binnenperspektive des „Wir lassen uns von außen nicht vorschreiben, wovon und von wem wir uns distanzieren“ mag aus ehrenwerter Überzeugung vorgetragen werden: Politisch ist sie nicht. Eine Partei, die im Rampenlicht steht, muß auf allen Ebenen darauf achten, wer sie repräsentiert.

Wer nicht nur sich selbst und seinem Bauchgefühl gefallen will, sondern zum relevanten politischen Faktor werden und sein Programm auch umsetzen möchte, der muß dem Gros der freiheitlichen, konservativen und sozialpatriotischen Bürger dauerhaft eine neue politische Heimat geben. Wer sie mit verstörenden Botschaften aus ideologischen Abgründen verprellt, bleibt unter seinen Möglichkeiten und riskiert sogar, doch noch zu scheitern.