© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/18 / 09. Februar 2018

Die Religion spielte eine gewichtige Rolle
Costa Rica: Der konservative Evangelikale Fabricio Alvarado gewann überraschend die erste Runde der Präsidentschaftswahl / Homo-Ehe als Zentralthema
Michael Link

Eine große Überraschung brachte vergangenen Sonntag die Präsidentschaftswahl in Costa Rica: Der konservative evangelikale Pastor Fabricio Alvarado errang mit 24,7 Prozent der Stimmen Platz eins.

„Das ist eine Bewegung aus dem Volk heraus, von Leuten, die dieses Land  mit seinen Prinzipien und Werten lieben. Leuten, die sehr lange Zeit still waren. Aber diese Stille hat sich in einen Schrei der Einheit verwandelt, einen lautstarken Schrei nach unseren Werten, aus Erschöpfung und Frust darüber, wie wir unsere Souveränität nach und nach verlieren“, rief Alvarado in der Lounge eines Hotels in San José seinen Anhängern zu.

Der 43jährige hatte bereits als Abgeordneter in sozialen Fragen strikt gegen Dinge wie die Legalisierung von Cannabis, gleichgeschlechtliche Partnerschaften, Abtreibung, In-vitro-Befruchtung sowie „Geschlechterideologie“ Stellung bezogen. Er positionierte sich somit als einer der schärfsten Kritiker des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte (CIDH), der Anfang Januar den Ländern der Region empfohlen hatte, gleichgeschlechtliche Ehen anzuerkennen. Danach entwickelte sich die Homoehe zum zentralen Wahlkampfthema. Noch vor der CIDH-Entscheidung waren Korruption, innere Sicherheit und soziale Gerechtigkeit die wichtigsten Themen des Wahlkampfs gewesen. 

Während der Amtszeit von Präsident Luis Guillermo Solís, der nicht mehr antreten durfte, war es zu einem starken Anstieg der Kriminalität gekommen. Dabei lag die Rate vorsätzlicher Tötungsdelikte im Vorjahr mit 603 Morden beziehungsweise 12,1 Morden pro 100.000 Einwohner auf einem Rekordhoch. 

Nach Angaben der Sicherheitsehörden ist fast die Hälfte der Morde auf Bandenkriminalität zurückzuführen, während ein Viertel der Gewalttaten im Zusammenhang mit der Drogenkriminalität steht. „Die Anzahl der Morde ist eine der höchsten in der Geschichte des Landes“, erklärte der stellvertretende Direktor des Sicherheitsbüros, Michael Soto, in einer Pressekonferenz. Soto prognostiziert für das laufende Jahr einen weiteren Anstieg der Delikte gegen Leib und Leben. „Seit 2012 beobachten wir eine steigende Kurve der Gewaltdelikte, die nur durch außergewöhnliche Maßnahmen gestoppt werden kann“, ließ Soto aufhorchen.

Während in einer Umfrage 47 Prozent der Befragten Solís Präsidentschaft negativ bewerten, sehen diese nur 27 Prozent positiv. Solís Ansehen wurde in den vergangenen Monaten durch einen Skandal massiv beeinträchtigt. Dabei ging es um den Import von chinesischem Zement, der mit Krediten öffentlicher Banken finanziert wurde. Zahlreiche Parteien sowie sämtliche Staatsgewalten waren von dem Skandal betroffen.

Nicht so der evangelikale Pastor, der wie ein Phönix aus der Asche stieg. „Die Religion spielte eine sehr wichtige Rolle bei dieser Wahl“, hatte der Politologe Carlos Chinchilla nach der Wahl erklärt. Die Frage ist, ob dies auch am 1. April bei der Stichwahl so ist, wenn Fabricio Alvarado auf seinen Counterpart, den ehemaligen Arbeitsminister Carlos Alvarado (21 Prozent) von der regierenden linksliberalen Bürgeraktion (PAC) trifft.