© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/18 / 09. Februar 2018

Cottbus wird zum neuen Dresden
Proteste: In der Stadt hat sich die Sicherheitslage verschlechtert / Medien zeichnen zum Teil verzerrtes Bild
Werner Becker

Nach den jüngsten Demonstrationen in Cottbus bleibt die Stadt weiterhin tief gespalten. Am vergangenen Samstag waren mehrere tausend Teilnehmer einem Aufruf des Bündnisses „Zukunft Heimat“ gefolgt, um gegen die Asylpolitik der Bundesregierung zu demonstrieren. Es war bereits die zweite größere Demonstration von „Zukunft Heimat“ in Cottbus innerhalb weniger Wochen. So liefen überwiegend Rentner, Familien und junge Paare durch die Innenstadt und protestierten friedlich, teilte die Polizei mit. Es hätten sich jedoch vereinzelt Rechtsextreme unter die Menge gemischt. Am späten Abend nahm die Polizei einen 38jährigen Deutschen fest, der wiederholt den Hitlergruß zeigte.

Die Demonstranten warnten dabei vor einer Überfremdung Deutschlands. Auf Transparenten wurde unter anderem der Rücktritt von Kanzlerin Angela Merkel gefordert. In Cottbus seien bewaffnete Gruppen „sogenannter Schutzsuchender“ unterwegs, hieß es. Dem gelte es entgegenzutreten. „Schützt endlich unsere Grenzen vor dem illegalen Übertritt Fremder“, forderte ein Plakat. Die Veranstalter sprachen im nachhinein von rund 3.500 bis 4.000 Teilnehmern. Genaue Zahlen konnte die Polizei nicht nennen.

Politiker von Linkspartei, SPD und Grünen sowie Flüchtlingsvereine und linke Antifa-Gruppen hatten derweil zu Gegenprotesten mobilisiert. Sie warfen „Zukunft Heimat“ „rechte Stimmungsmache“ vor. Geflüchtete würden pauschal als Gewalttäter abgetan werden. „Ich glaube, daß wir alle friedlich miteinander leben können“, betonte Brandenburgs Kulturministerin Martina Münch (SPD). Zu der Demonstration unter dem Motto „Leben ohne Haß – gemeinsam gegen die Angst“ kamen etwa tausend Teilnehmer. Unter ihnen befanden sich auch Linksextreme. Sie zeigten Transparente mit Aufschriften wie „Still not loving Germany“, „Kein Friede mit Deutschland“ und „Deutsche Kontinuitäten brechen“.

Seit rund einem Jahr veranstaltet der Verein „Zukunft Heimat“, den Brandenburgs Verfassungsschützer als „asylkritische Initiative“ einstufen, Demonstrationen in Cottbus gegen die Asylpolitik in Deutschland. Die 100.000 Einwohner große Stadt hat in den vergangenen Jahren überproportional viele Flüchtlinge aufgenommen. Während ihre Zahl Ende 2013 bei etwa 400 lag, stieg sie laut Stadtverwaltung bis 2017 auf rund 4.300. Seitdem häuften sich Berichte über eine verschlechterte Sicherheitslage in der Innenstadt. Besonderen Zulauf erhielten die Demos, nachdem in zwei Fällen junge Syrer Messerangriffe auf Einheimische verübten.

Am Sonntag solidarisierte sich die AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Alice Weidel, in der ARD-Sendung „Anne Will“ mit den Protestaktionen. „Mein erster Gruß geht raus an die Menschen in Cottbus, die für ihre Probleme demonstrieren und darauf aufmerksam machen“, sagte sie. „Das sind einfach nur Menschen, die sich dagegen wehren, daß hier messerstechende Migranten auf unseren Straßen rumlaufen.“

„Jede Kritik wird ins ‘braune Eck’ gestellt“

Die Medien hingegen sprachen von einem fremdenfeindlichen Aufmarsch. „Rechtspopulisten, Neonazis und Pegida-Aktivisten haben Cottbus zur neuen Kampfzone gegen die Flüchtlingspolitik gemacht“, schrieb der Tagesspiegel. Die Gegenseite jedoch habe durch ihre „bunte Demonstration“ Flagge gezeigt. „Sporadisch verteilten Flüchtlinge Blumen an Passanten als Geste für ein friedliches Zusammenleben“, hieß es in dem Bericht. 

Der Deutschlandfunk sprach von einer „Gewaltspirale“, ausgelöst durch rechte Schläger. Sie bezogen sich in ihrem Beitrag auf die Nacht zum 1. Januar, als mehrere Unbekannte in ein Flüchtlingsheim in Cottbus eingedrungen waren und auf Bewohner eingeprügelt hatten. 

Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT kritisierte AfD-Fraktionschefin Weidel die „vollkommen skandalöse“ Berichterstattung. „Jede öffentlich geäußerte Kritik an den Zuständen in der Stadt wird ins ‘braune Eck’ gestellt“, so die Fraktionschefin. Sie warne vor einer Vorverurteilung der Cottbusser Bürger.