© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/18 / 02. Februar 2018

Der den Streit fand, wo er ihn suchte
Lothar-Günther Buchheim: Eine Erinnerung an den Maler, Fotografen, Autor und Kunstsammler, der jetzt hundert Jahre alt geworden wäre
Markus Brandstetter

Es gibt zwei Arten von Menschen: Einmal die, die jedem Streit aus dem Weg gehen. Das sind die meisten. Und dann gibt es die anderen. Die einem Streit nicht nur nicht aus dem Weg gehen, sondern ihn geradezu suchen. Zur zweiten Kategorie, die wesentlich seltener als die erste ist, gehörte der Maler, Schriftsteller, Fotograf und Kunstsammler Lothar-Günther Buchheim. Der hat in seinem langen Leben selten einen Streit ausgelassen, und hatte er erst einmal einen angefangen, dann hat er ihn durchgezogen bis zum bitteren Ende. Und zum Schluß hat er meistens gewonnen. Dazu gehört schon etwas: Hartnäckigkeit, Schläue, Intelligenz, ein starker Wille und ein gerüttelt Maß an Sturheit, Nerven wie Drahtseile, eine eigene Meinung, genug Geld und auch ein bißchen Bosheit. Von all dem besaß Lothar-Günther Buchheim mehr als nur ein Quentchen.

Ein eigenes Museum am Starnberger See

Fangen wir mit seinem größten, bekanntesten und bis heute folgenreichsten Streit an – dem um seine Kunstsammlung und die Frage, in welchem Museum diese nach Buchheims Tod einmal ein Zuhause finden würde. Am Anfang, das heißt während der 1970er Jahre, schien zuerst einmal alles klar: Buchheims Sammlung Hunderter Bilder und Zeichnungen von Malern des deutschen und französischen Expressionismus (Max Beckmann, Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff, Erich Heckel, Emil Nolde, Max Pechstein, Otto Dix), die damals schon auf einen Wert von hundert Millionen Mark geschätzt wurde, sollte an bevorzugter Stelle in die Münchner Museumslandschaft integriert werden. Aber nach fünfzehnjährigen Vorbereitungen überwarf er sich mit dem Leiter der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen so dermaßen, daß der Buchheim und seine Sammlung prompt wieder vor die Museumstüren setzte.

Jetzt ging die Suche von vorne los, aber 1982 schien die Sammlung Buchheim im Duisburger Lehmbruck-Museum endlich ihren Heimathafen gefunden zu haben. Und damit die Schätze auch wirklich zu ihnen kamen, hatten die Duisburger Buchheim erst zum Ehrendoktor und danach zum Honorarprofessor gemacht, seine Bilder auf eine Welttournee geschickt und an ihr Museum für zwölf Millionen Mark einen Buchheim-Anbau drangesetzt. Und dann kamen Buchheims Bilder doch nicht nach Duisburg. Warum? Weil die „Waschbeckenhorizontler und Indolenten von Duisburg mit ihrer spießigen Kleinkariertheit“ nicht nur Buchheims „Energie verschlissen“, sondern auch die „Visionen in seinem Kopf kaputtgemacht hätten“. Seinen Anbau an das Lehmbruck-Museum bezeichnete Buchheim zum Abschied als „Tortenschachtel“.

Die Bilder kehrten daraufhin zurück in das heimatliche Bayern, wo Buchheim seit 1945 in Feldafing am Starnberger See in einer bukolischen Idylle residierte. Da hätte er jetzt seine Sammlung gerne in einem extra für ihn gebauten Museum in seiner Nähe gewußt. Aber die dort ansässigen „Gully-Ratten vom Gemeinderat“ (Buchheim) wollten kein Buchheim-Museum, weil sie Angst vor den zu erwartenden Besuchermassen hatten.

Bevor jetzt Buchheim mit seiner Sammlung nach Timbuktu oder sonstwohin verschwand, griff der Freistaat Bayern, verkörpert durch seinen damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber ein, und ließ für das „Ungeheuer vom Starnberger See“, wie Buchheim inzwischen genannt wurde, in Bernried, ebenfalls am Starnberger See, für 40 Millionen Mark jenes „Museum der Phantasie“ bauen, von dem sein Spiritus rector immer geträumt hatte. Im Mai 2001 wurde auf einem Seegrundstück in Hanglange eine helle, skandinavisch anmutende Villa eröffnet. In dieser werden seitdem Buchheims umfangreiche Sammlungen gezeigt, die neben den Expressionisten auch bayerische Volkskunst, Kultgegenstände aus Afrika und den ganzen Krimskrams, den der manische Sammler Buchheim sonst noch zusammengetragen hat, umfassen.

Kaum weniger dramatisch als die Saga seiner Kunstsammlung war der Ärger, den Buchheim mit dem Werk hatte, das ihn weltberühmt gemacht hat: dem Roman „Das Boot“ beziehungsweise dessen Verfilmung. Alles begann damit, daß der 1918 in Weimar geborene Buchheim – seine damals unverheiratete Mutter war die Malerin Charlotte Buchheim – nicht nur selbst ein talentierter Maler, Kunstkenner und Fotograf war, sondern überdies ein ganz unkünstlerisch harter Hund. Als solcher hat er 1940 sein Studium an der Münchener Kunstakademie abgebrochen, um als Freiwilliger in die Kriegsmarine einzutreten. Buchheim verbrachte den ganzen Krieg als Kriegsberichterstatter auf Minenräumbooten, Zerstörern und U-Booten, zuletzt im Range eines Oberleutnants.

Seine Fahrten auf U 96 im Nordatlantik während des Winters 1941 bilden den Hintergrund für Buchheims 600seitigen Tatsachenroman „Das Boot“. Dieses Buch, das bis heute eine Gesamtauflage von über drei Millionen Exemplaren erreicht hat, wurde zu einem Welterfolg – und zwar deshalb, weil hier ein scharfer und mitleidsloser Beobachter, der sich an jedes noch so kleine, auch technische Detail erinnert, in einer nüchternen Sprache von der Härte und der Sinnlosigkeit des U-Bootkrieges berichtet und schonungslos sagt, was dieser Krieg Tätern wie Opfern angetan hat.

Er distanzierte sich von der U-Boot-Verfilmung

Buchheim hat eine gute Story gut erzählt, und so etwas kann den Stoff für einen noch besseren Film abgeben. Und 1981 begann dann auch der Regisseur Wolfgang Petersen, der später in Hollywood mit Filmen wie „Air Force One“ oder „Troja“ Karriere machen sollte, damit, „Das Boot“ zu verfilmen. Als Schauspieler wurden Darsteller wie Jürgen Prochnow als U-Boot-Kommandant, Herbert Grönemeyer, Martin Semmelrogge und Uwe Ochsenknecht verpflichtet, die Bavaria Film nahm für damalige Zeiten unerhörte 32 Millionen Mark an Produktionskosten in die Hand, mit denen in den Bavaria-Studios am Geiselgasteig in Europas größter Halle dann U 96 in Originalgröße und nach allen Seiten schwenkbar nachgebaut wurde. 

Buchheim hätte also hochzufrieden sein können. Aber war er das? Keineswegs. Als sein eigenes Drehbuch nicht genommen wurde, distanzierte er sich von der Verfilmung, kreuzte trotzdem andauernd auf dem Film-Set auf, terrorisierte den Regisseur mit Telefonanrufen und kritisierte endlich die Verfilmung im Magazin Geo in einem seitenlangen Artikel in Grund und Boden: Der Film sei ihm entglitten, schrieb er, und die Wahrheit darüber auf Tauchstation gegangen. Alle und alles waren schlecht – bis auf die Ausstatter und Requisiteure, die U 96 inklusive von der Decke herabbaumelnder Würste, dem Gestank nach vergammelten Klamotten und Dieselöl und aus den Rohren austretendem Sprühnebel so lebensecht nachgebildet hatten, daß Buchheim angst und bange wurde.

Der Film wurde trotz Buchheims Kritik und obwohl er keinen der sechs Oscars, für die er nominiert war, gewann, ein Welterfolg und hat den deutschen Film auch international zum ersten Mal seit den Filmen der Weimarer Republik wieder auf die internationale Landkarte gesetzt. Verantwortlich dafür ist auch Buchheims Romanvorlage. 

Im Vergleich zu diesen Hämmern erscheinen die vielen anderen Auseinandersetzungen, die Buchheim in seinem Leben noch führte, geradezu harmlos. So gab er 2001 die Ehrenbürgerurkunde der Stadt Chemnitz zurück, weil man dort seine Kriegszeichnungen, die einige als „heroisierend“ empfanden, Buchheim selber jedoch als „widerständig“ bezeichnete, nicht ausstellen wollte. Einer Zeitung sagte er einmal: „Ich habe kein Handy, ziehe meine Uhr mit der Hand auf, fotografiere mit altmodischen Kameras, habe kein Radio und keinen Fernseher. Den habe ich vor 20 Jahren verbrannt.“

Aber ganz egal, wie oft, wie hart und mit wem Buchheim auch gestritten hat – für die Kunst, die Literatur, die Malerei und den Film waren die Resultate unterm Strich immer ein Gewinn. Und das allein zählt. Am 6. Februar wäre Lother-Günther Buchheim hundert Jahre alt geworden. 

Buchheim Museum, Am Hirschgarten 1, 82347 Bernried, Tel: 0 81 58 / 99 70 20

 www.buchheimmuseum.de