© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/18 / 02. Februar 2018

Von der Zukunftsvision zum Auslaufmodell
Carsharing: BMW und Daimler wollen ihre Angebote bündeln / Branche schaut längst auf neue Technologie
Carsten Müller

Was ist „Grüne Mobilität“? „Fahrrad, ÖPNV und Carsharing miteinander zu kombinieren“, sagt die kleinste Fraktion im Bundestag – aber die mit den größten Weltveränderungsplänen: „Vom Dauerparker werden wir zu Autonutzern bei Bedarf. Wir Grüne im Bundestag wollen Carsharing deswegen ausbauen.“ Doch der gehypte Mix aus Selbstfahrertaxi und Mietwagenkonzern ist ohne Zwang in Deutschland keine Goldgrube. Voriges Jahr gab Citroën Multicity auf – zu wenige wollten Kurzstrecken elektrisch fahren (JF 42/17).

Nun überlegen BMW und Daimler, ihre Carsharing-Töchter Drive Now und Car2Go zu fusionieren. Beide Marken sollen zwar erhalten bleiben, fast alles andere soll jedoch zusammengelegt werden. Das soll deutliche Kosteneinsparungen bringen. Zudem sind beide Premiumanbieter durch neue Wettbewerber wie die Fahrdienstleister Uber & Co. potentiell unter Druck. Es könnte daher sein, daß beide Unternehmen mit ihren Carsharing-Aktivitäten auf ein Mobilitätsangebot setzen, das längerfristig keine Zukunft hat.

Bislang war Carsharing, also die Nutzung von Mietwagen mit minutengenauer Abrechnung ohne festen Standort, durchaus ein Wachstumsmarkt. So erhöhte sich allein in Deutschland die Anzahl der Nutzer von rund 116.000 im Jahr 2008 auf über 1,7 Millionen eingetragene Kunden im vorigen Jahr. Und die Anbieter bleiben optimistisch, daß sie diese Zahlen in absehbarer Zukunft noch weiter deutlich erhöhen können.

Dabei bauen sie auf eine hippe Kundengruppe: die jungen, technikaffinen Bewohner der Stadtzentren. Diese sind quasi mit Internet, Smartphone und Apps aufgewachsen und haben zu einem Großteil bereits das Prinzip der Share Economy, des wirtschaftlichen Teilens von Gütern und Dienstleistungen, verinnerlicht. Damit gehören die Carsharer zu den Profiteuren der Gentrifizierung der Innenstädte. Doch der Bewohnerwandel und neue Technologien könnten sich zu negativen Einflußgrößen des zukünftigen Geschäftes wandeln.

In Nürnberg verkehren seit zehn Jahren ferngesteuerte, fahrerlose U-Bahnen – und es gab bislang nur einen Unfall: Am 3. August 2017 rutschte ein Vierjähriger in den Spalt zwischen Zug und Bahnsteigkante. Ein Fahrgast, der die Notbremse zog, rettete dem Jungen das Leben. Die U-Bahn-Software kann solche Notfälle nicht erkennen.

Technikvisionäre schreckt das nicht ab: Auf der jüngsten Elektronikmesse CES in Las Vegas stellten etliche Autohersteller autonom fahrende Robo-Taxi-Konzepte vor. Gleichzeitig machte eine Studie der Unternehmensberatung Alix Partners von sich reden, die sich zu den Chancen von Carsharing und anderen Fahrdiensten äußerte: 41 Prozent der befragten Deutschen könnten sich vorstellen, Robo-Taxis zu nutzen. Insgesamt wird erwartet, daß „Ridehailing“, also Fahrdienste aller Art, gegenüber Carsharing global gesehen größere Wachstumschancen hat. Deutschland macht hier zwar bislang wohl eine Ausnahme, dürfte sich mittel- bis langfristig aber kaum vom weltweiten Trend abkoppeln.

In diesem Szenario könnte BMW und Daimler nur wenig Zeit bleiben, um ihre Angebote endlich profitabel zu machen. Bislang war dies kein Thema. BMW nutzte seine Kooperation mit dem Mitgesellschafter Sixt dafür, um den Kunden neue Modelle – insbesondere im Bereich der schwerverkäuflichen E-Autos – vorzustellen und schmackhaft zu machen. Insofern könnten die Carsharing-Angebote weiterhin als eine Art Schaufenster für die konzerneigenen Modellpaletten positioniert werden.

Carsharing ohne feste Mietstationen:

 www.drive-now.com/de

 www.car2go.com/DE/de