© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/18 / 02. Februar 2018

Kreuzbergs Lieblinge
Grüne: Das neue Führungs-Duo begeistert viele Journalisten
Christian Schreiber

Der Bundesparteitag der Grünen hat am vergangenen Wochenende einen regelrechten Medienhype verursacht. Führende Journalisten hatten scheinbar vor, alte Umfrageergebnisse zu bestätigen, wonach mehr als die Hälfte der Politbeobachter sich eher links der Mitte verorten. Tina Hassel, Chefin des ARD-Hauptstadtstudios, twitterte vom Parteitag und zeigte sich durchaus begeistert vom neuen Führungsduo. Damit löste sie eine heftige Debatte und viel Kritik aus. Spöttisch fragte Welt-Chef Ulf Poschardt beispielsweise: „Wie soll das vom Social-Media-Team der Grünen getoppt werden?“ Mit der Wahl von Robert Habeck und Annalena Baerbock an die Parteispitze brechen die Grünen in der Tat mit alten Traditionen, erstmals wurden zwei Vertreter des Realo-Flügels an die Parteispitze gewählt.  

Im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit steht dabei der Schleswig-Holsteiner, der seine Partei dort in ein Jamaika-Bündnis führte. Doch am Wochenende versuchte er auffallend, auch den linken Flügel für sich zu gewinnen. Er geißelte „schamlosen Reichtum“ und den „postmodernen Kapitalismus“, forderte „Umverteilung“ und „härtere Besteuerung von Kapital und Vermögen, nicht weil wir nicht gönnen können, sondern weil wir die Gesellschaft zusammenführen müssen.“ Damit er überhaupt gewählt werden konnte, mußte die Partei zunächst für eine Übergangszeit die strikte Trennung von Amt und Mandat aufheben. Das gelang auch mit großer Mehrheit, kritische Stimmen gab es dennoch. „Da ist wieder der starke Mann, der seine Forderungen stellt, damit wir ihn wählen. Ganz ehrlich, ich lasse mich nicht von dir erpressen“, zitierte die Welt eine Parteitagsteilnehmerin. 

Innerhalb der Partei wächst die Befürchtung, der Shooting-Star könne eine Machtfülle wie der Ex-Sponti und spätere Außenminister Joschka Fischer anhäufen, von dessen Polit-Abschied sich die Grünen lange nicht erholt hätten. Daß die 37jährige Baerbock aus Brandenburg eine gleichberechtigte Führungsfigur sein kann, darf bezweifelt werden. Die Klimaschutz-Expertin wurde zwar unter anderem vom scheidenden Parteichef Cem Özdemir und von Bundestagsfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt unterstützt, ist aber bundesweit bisher völlig unbekannt.