© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/18 / 02. Februar 2018

Kein Anschluß unter dieser Nummer
Facebook: Nach einem banalen Streit sperrt das Netzwerk einen Nutzer / Der wehrt sich – ohne Erfolg
Hinrich Rohbohm

Es ist nur ein kurzer Moment, in dem sich Lars Bergen überrascht zeigt. Er sitzt in seinem Wohnzimmer, hat den Laptop aufgeklappt und blickt auf den Bildschirm. Der 42 Jahre alte Risikomanager eines Versicherungskonzerns hat die Maske „Bei Facebook anmelden“ aufgerufen, will sich mit seinen Zugangsdaten einloggen. „Bisher funktionierte wenigstens das noch.“ Danach sei dann stets die Mitteilung erschienen, daß sein Facebook-Konto gesperrt sei. „Jetzt funktioniert selbst die Anmeldung nicht“, stellt er trocken fest. Überraschen kann ihn das längst nicht mehr. 

Seit Juni vorigen Jahres ist sein Profil vom Social-Media-Unternehmen gesperrt. Warum, das weiß Lars Bergen bis heute nicht. Der Diplom-Politologe ist CSU-Mitglied, gehört dem Landesvorstand der Union der Vertriebenen (UdV) an. In seinem CSU-Ortsverband im oberbayerischen Forstinning bekleidet er das Amt des Schatzmeisters. Grenzwertige politische Äußerungen, die in Zeiten des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) schnell zu Sperrungen führen können, hatte er auf Facebook nicht getätigt. 

Ohne umstrittene Äußerung in die Isolation getrieben

Zum Verhängnis wurde ihm ein banaler Streit über die angemessene Höhe von Handwerkerlöhnen. „Ein Facebook-Freund von mir regte sich in einem Posting darüber auf, daß er in seinem Wirtshaus in Oberfranken für die Reparatur eines Kaffee-Vollautomaten 75 Euro die Stunde zahlen müßte. Das empfand er als entschieden zuviel.“ Lars Bergen stimmte ihm lediglich zu. Was den ebenfalls an der Diskussion beteiligten Nachbarn des Gastronomen auf den Plan rief, der mit dem Fake-Profil „Da Großy Gell (Klausi)“ auftrat. Was er denn für ein „armes Würmchen“ sei, schrieb dieser an Bergen gerichtet und schob hinterher: „Manche Akademiker studieren sich dumm“. „Mancher studiert sich dumm, andere sind es schon“, entgegnete Bergen darauf verärgert. 

Der Streit schaukelte sich hoch.  „Auf einmal sah ich, daß er mein Profilbild für seinen Fake-Account nutzte. Damit postete er nun allerlei seltsame Dinge.“ Facebook-Freunde von Bergen lasen mit, wurden stutzig. „Hat dich jemand gehackt?“, fragen sie Lars Bergen.

Wenige Tage später folgt für ihn die nächste unangenehme Überraschung.  „Mein persönliches Konto war von Facebook gesperrt worden.“ Die Begründung: Angeblich benutze er ein gefälschtes Profil. Für Lars Bergen ein ernstes Malheur. Denn die Internetplattform ist für ihn auch beruflich von Bedeutung. 1.500 Freunde hatte er auf Facebook, die er nun nicht mehr kontaktieren kann. 

Er kramt einen Ordner hervor. „Meine Korrespondenz mit Facebook“, sagt er und verzieht dabei das Gesicht. Das Konvolut dokumentiert seinen vergeblichen Versuch, mit dem Unternehmen in Kontakt zu treten.

Der Fall von Lars Bergen zeigt vor allem, wie leicht jemand in Zeiten des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) sogar ohne politisch umstrittene Äußerungen in die Isolation getrieben werden kann. Bergen will das offensichtliche Mißverständnis klarstellen, will dem Unternehmen erklären, daß nicht er es ist, der ein Fake-Profil verwendet. Als Beleg für seine echte Identität schickt er Kopien seines Personalausweises an Facebook. 

„Hallo, vielen Dank für deine Meldung. Wir werden die von dir eingeschickten Informationen überprüfen und uns danach bei dir melden“, erhält er als Antwort. Dann geschieht nichts. Drei Tage später schreibt Bergen das Unternehmen erneut an. Als Antwort erhält er den gleichen, offensichtlich standardisierten Text. Nach weiteren zwei Tagen fragt der Familienvater erneut nach. 

„Danke, daß du uns kontaktiert hast. Offenbar gehört die von dir eingereichte Meldung zu einem anderen Kanal. Melde dich bitte in deinem Facebook-Konto an und befolge die Anweisungen auf dem Bildschirm, um dieses Problem zu melden“, lautet die seltsame Botschaft, die er darauf erhält. „Wie soll ich mich bitte in meinem Konto anmelden, wenn ich da gesperrt bin?“, schreibt Bergen zurück. Antwort von Facebook: „Hallo, vielen Dank für deine Nachricht. Wir werden die von dir bereitgestellten Informationen überprüfen.“ 

Bergen läßt nicht locker, schreibt erneut zurück. Auch noch im folgenden Monat versucht er es. Doch es bleibt bei den stets gleichen standardisierten, nichtssagenden Antworten. Im August platzt ihm dann endgültig der Kragen. Er schaltet ein Anwaltsbüro ein, das Facebook nun zur Freischaltung seines Profils auffordert. Doch auch das Anwaltsbüro erhält lediglich ein Schreiben von jemandem, der sich als Kai N. vorstellt. Keine Telefonnummer ist angegeben, kein Fax, keine Postanschrift. Als der Account von Lars Bergen auch nach dem 31. August noch nicht freigeschaltet ist, stellt die Kanzlei Strafanzeige. Ohne Erfolg. Die Ermittlungen wurden eingestellt. 

„Für die Firma Facebook Germany GmbH tritt ausschließlich die in den USA ansässige Facebook Inc. als Betreiberin auf. Die in Hamburg ansässige Firma Facebook GmbH verfolgt lediglich einen daran anknüpfenden Geschäftsgegenstand. Sie hat auch nicht die erforderliche Einwirkungsmöglichkeit auf die Facebook Inc.“, begründet die Staatsanwaltschaft Hamburg die Einstellung des Verfahrens. 

Lars Bergen kann sich das alles inzwischen nicht mehr erklären. „Spielen da vielleicht doch mein politisches Engagement und meine konservative Einstellung eine Rolle?“ fragt er sich, von Zweifeln geplagt. Inzwischen hat er sich selbst ein Fake-Profil zugelegt, um zumindest wieder Zugang zu seinen alten Kontakten zu erhalten. „500 Facebook-Freunde konnte ich inzwischen wiederherstellen. Aber ich finde es schon bedenklich, daß es offenbar nur auf diese Weise möglich ist.“ 

Ähnlich wie Lars Bergen erging es auch der in dem sozialen Netzwerk sehr regen Kolumnistin Anabel Schunke. Als sie sich gegen eine sexuelle Beleidigung auf Facebook zur Wehr setzte, wurde sie für einen Monat gesperrt – nicht jedoch der Beleidigende. 

Und während Bergen ungewollt und notgedrungen mit einem Fake-Profil agieren muß, hat sich „Da Großy Gell“ inzwischen einen echten Account zugelegt. Daß er das Foto des CSU-Manns für sich zeitweise nutzte und mißbrauchte, gab er auf Facebook übrigens indirekt zu. „Soll ich wieder dein Profilbild aus dem Schrank holen ... husch husch ... ab in’s Körbchen“, hatte er Bergen in einem geposteten Beitrag gedroht.