© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/18 / 26. Januar 2018

Knapp daneben
Lästige Staatsaufgabe
Karl Heinzen

Jahrelang hatten sich die Senioren der Riehler Heimstätten allwöchentlich zum Bingo-Abend versammelt, als plötzlich die Sozialbetriebe Köln intervenierten und das Vergnügen untersagten. Rechnungsprüfer waren auf eine Quittung über Pralinen gestoßen, die man als „Preise“ deklariert hatte. Daraus zogen sie den Schluß, daß hier ein Glücksspiel veranstaltet würde, für das eine Lizenz erforderlich sei. Doch die Stadtoberen Kölns fanden einen Weg, um die Freizeitbedürfnisse der Senioren und den Rechtsstaat zu versöhnen. Da sowohl der Einsatz als auch der Preis geringwertig seien, handele es sich bloß um ein „kleineres Lotteriespiel“, das man nur anmelden müsse. Das Ordnungsamt versprach, die Genehmigungen „unbürokratisch“ zu erteilen. Weniger Nachsicht dürfen hingegen die Veranstalter von Kaffeefahrten erwarten. 

Anstatt gegen Kaffeefahrten vorzugehen, sollten alle entmündigt werden, die an ihnen teilnehmen.

Immer wieder fanden sie juristische Schlupflöcher, die es ihnen erlauben, Jahr für Jahr fünf Millionen Teilnehmer um 500 Millionen Euro zu erleichtern. Ein Gesetzesentwurf des Bundesrates soll diese nun schließen. Er sieht vor, daß in Zukunft auch grenzüberschreitende Veranstaltungen anzeigepflichtig sind. Zudem sollen bestimmte Produkte wie etwa die berühmten Heizdecken und Finanzdienstleistungen nicht mehr verkauft werden dürfen. Man kann davon ausgehen, daß der Staat sicher Wichtigeres zu tun hat, als Senioren vor sich selbst zu schützen. Es bleibt ihm jedoch nichts anderes übrig, als sich dieser Aufgabe zu stellen. Die Alten werden immer zahlreicher, und immer mehr von ihnen haben keine Nachkommen, die sie im Auge behalten. Die Grausamkeiten, die Kinder und Enkel den Alten antun, da sie auf deren Nachsicht zählen dürfen und allenfalls Vermögensnachteile befürchten müssen, kann sich der Staat aber nicht leisten, handelt es sich doch um Wähler, die heute den Ausschlag geben. Der Bundesrat hat es verschlafen, dieses Problem mit seinem Gesetzentwurf aus der Welt zu schaffen. Anstatt Veranstaltern von Kaffeefahrten die Ausübung ihres Gewerbes zu erschweren, hätte er bloß vorsehen müssen, daß alle, die an ihnen teilnehmen, automatisch entmündigt werden.