© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/18 / 26. Januar 2018

Latente Gefahren
Die Grenzen der ökologischen Modernisierung
Christoph Keller

Verschärfung der Einwanderungsregeln, Steuerreform, Enthüllungsbücher oder die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem – deutsche Politiker und Journalisten nutzen jede Gelegenheit, auf Donald Trump einzudreschen. Der am 1. Juni 2017 vom Präsidenten angekündigte Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen scheint für manche sogar dessen bislang größte Sünde zu sein. Die Wellen der Empörung schlugen bei den deutschen Klima- und Weltrettern so hoch, daß der Eindruck entstand, Trump allein habe die Weichen auf Untergang gestellt, da die Pariser „Zwei-Grad-Marke“ nun bis 2100 nicht mehr zu erreichen sei.

Hilft die Ökonomie  dem Klima?

Für Helge Jörgens, der derzeit in Lissabon als Gastprofessor vergleichende Umwelt- und Klimapolitik lehrt, hat es diese heile Klimaschutz-Welt, der sich nur die USA als „Bad Boy“ der Weltstaatengemeinschaft verweigern, jedoch nie gegeben (Zeitschrift für Umweltpolitik & Umweltrecht, 3/17). Der globale Klimaschutz stecke völlig unabhängig von Trumps aktuellem Kurs in einer Krise. Dafür sei das Verhalten der Amerikaner nicht die Ursache, sondern lediglich sichtbarstes Symptom. Und die USA seien die ersten, die dies offen aussprächen, während „andere Regierungen sich gern hinter wohlklingender Rhetorik und den weitgehend unverbindlichen Verpflichtungen des Pariser Klimavertrags verstecken“.

Keiner der Unterzeichnerstaaten sei nämlich ernsthaft bereit, die vollen Kosten einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf zwei Grad gegenüber den vorindustriellen Werten zu tragen. Selbst der vermeintliche Öko-Musterschüler Deutschland verzichte, weitgehend unbeachtet, „auf effektive Maßnahmen zur Erreichung des selbstgesteckten Klimaziels für 2020“. So würden alle handeln. Was nicht erstaune, da das Pariser Abkommen auf Freiwilligkeit beruhe und viel Raum lasse, um die Interessen der nationalen Wirtschaft den Notwendigkeiten des globalen Klimaschutzes überzuordnen.

Insoweit bestätige Trumps „America first“-Strategie die latente Gefahr der Erosion des umweltpolitischen Multilateralismus. Gleichzeitig stoße die bisherige Erfolgsstrategie der „ökologischen Modernisierung“ an ihre Grenzen. Denn um die Öko-Effizienz von Produkten, Prozessen und Dienstleistungen zu steigern, braucht es Wirtschaftswachstum, ohne die Umwelt weiter zu zerstören. Ein grünes Patentrezept, um dieses Problem zu lösen, fehlt bislang. Die US-Regierung argumentiert daher paradox, aber folgerichtig gegen das Pariser Abkommen, wenn sie behauptet, nur die Förderung der Ökonomie helfe dem Klima.


Zeitschrift für Umweltpolitik & Umweltrecht: online.ruw.de