© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/18 / 26. Januar 2018

Die Rebellion bleibt leider aus
In der Schweiz ist das neue Online-Magazin „Republik“ gestartet
Ronald Berthold

Als „kleine Rebellion“ für den Journalismus und gegen etablierte Verlage haben die Macher ihr Online-Magazin Republik angekündigt. Fast ein Jahr lang hat der Schweizer Journalist Constantin Seibt im deutschen Sprachraum für sein neues Projekt getrommelt. Nun liegt das erste digitale Heft vor, und vom versprochenen „Nonkonformismus“ ist nicht viel zu erkennen.

Als sein Kompagnon Christof Moser im Vorfeld auch noch angekündigt hatte, die Republik werde „keine linke Zeitung“, war die Verwunderung groß. Die anfängliche Begeisterung in der Branche wandelte sich in Kritik. Der Mediendienst kress fragte: „Ob das klug ist?“ Damit wäre „das Projekt erst recht in der diffusen Nebelzone angekommen“. Auch das selbsterklärte Ziel, die Demokratie zu retten, weil die großen Konzerne der Publizistik ade sagten, erntete nun Häme.

Die Spendenkampagne war erfolgreich

Das Besondere an der Republik bleibt die Finanzierung. Das Magazin mit Sitz in Zürich verzichtet auf Anzeigen. Nur die Leser sollen den Journalismus bezahlen. Im Rahmen einer geschickten Crowdfunding-Kampagne erfüllte Seibt die Bedingung eines Großspenders. Die zugesagten 3,5 Millionen Franken würden nur fließen, wenn die Macher 3.000 Abonnenten und 750.000 weitere Franken eintreiben. Das schaffte der 51jährige in knapp acht Stunden. Im Mai waren es dann 11.500 Abonnenten. Ein Raketenstart deutete sich an. Doch das Wachstum verlangsamte sich. Nun, zum Start am 15. Januar sind es 17.714 „Mitverleger“, wie die Republik ihre Leser wegen der Zahlungen nennt.

Was sie serviert bekommen, sind schön geschriebene Reportagen. Aber „Nonkonformismus“ oder gar „Rebellion“ sind zumindest unter den „fünf interessantesten Artikeln“ (Eigenwerbung) nicht zu finden. Viel Platz widmet das Digital-Magazin dem italienischen Priester Mussie „Moses“ Zerai, der angeblich 150.000 Mittelmeer-Flüchtlingen „das Leben gerettet“ habe. Seit vergangenem Jahr ermittele die sizilianische Staatsanwaltschaft gegen den gebürtigen Eritreer wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung. Die Republik fragt rhetorisch: „Ist Moses, der edle Retter, also doch nur ein gemeiner Schlepper?“ Natürlich nicht, lautet die Intention des ausführlichen Portraits. Der Leser vermißt bei aller schönen Schreibe die Darstellung der Ambivalenz dieser Persönlichkeit. Ein solcher Artikel hätte auch im Spiegel oder der Zeit stehen können.

Insgesamt ist das Marketing bisher das Auffälligste an der Republik, in deren Redaktion mehr als 25 Journalisten, Software-Entwickler und Rechercheure arbeiten. Auch die Geschichte der Gerichtsreporterin Brigitte Hürlimann über ihre 30jährige Erfahrung auf den Presseplätzen der Schweizer Justizpaläste gibt hochinteressante Einblicke. Ein wunderbares Lesestück, doch irgendwie fehlen Anlaß und Aufhänger. Der Leser weiß nicht, warum er das gerade jetzt konsumieren soll. Es ist ein bißchen so, als wenn man ein altes Buch aus dem Regal greift: Das Heft präsentiert sich wenig aktuell – auch wenn die von US-Präsident Donald Trump im vergangenen Jahr durchgesetzte Steuerreform Raum findet. Allerdings unterscheidet sich der Totalverriß dann eben nicht vom „konformistischen“ Journalismus. Formulierungen wie „Steuersenkungen für Millionäre sind zur heiligsten Mission der Republikanischen Partei geworden“ kommen wenig überraschend.

Daran kranken die ersten Beiträge. Sie überraschen den Leser nicht; am ehesten vielleicht noch ein kurzes Video über einen alten Mann. Der Film zoomt immer näher in den Abzug eines Negativs hinein. Dazu hört der Nutzer eine Stimme, die Schwyzerdütsch spricht. Für Nicht-Schweizer praktisch unverständlich. Überschrieben ist der Film lediglich mit den Worten „Appenzell, Schweiz“. Doch nach dieser Überraschung dominiert die Frage: Was soll das?

Seibt und Moser, neben denen noch weitere vier Personen zum „Gründerinnenteam“ gehören, haben es vor dem Start hervorragend verstanden, Spannung aufzubauen und ihr Projekt interessant zu machen. Um so größer dürfte nun die Enttäuschung bei vielen Lesern sein, die die Macher als „unsere Chefs“ bezeichnen. 

Von Anfang an stand die PR in einem gewissen Widerspruch zur Vita der beiden. Seibt arbeitete zunächst bei der linken Schweizer Wochenzeitung, wechselte dann zum Tages-Anzeiger, wo er sich Anerkennung erwarb, aber auch den Ruf eines „Salon-Sozialisten“. Der 39jährige Moser hatte sich wiederum als Anhänger der Schweizer sozialdemokratischen SP geoutet. Daß bei dieser Konstellation keine journalistische Revolution zu erwarten war, hätte klar sein dürfen. Insofern bleibt die spannendste Frage an der Republik, wieviel Zeit die knapp 18.000 Chefs ihren Blattmachern geben.