© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/18 / 26. Januar 2018

Optimismus ja, Euphorie nein
Aktienmarkt: Börsentage als Seismograph der Anlegerstimmung und Schaulauf der Finanzbranche / Sind Kryptowährungen die neue „New Economy“?
Carsten Müller

Auch im neunten Jahr der aktuellen Börsen-Hausse buhlen Banken, Vermögensverwalter, Emittenten und Empfehlungsdienste um die Gunst der Kleinanleger. Beste Gelegenheit, um mit potentiellen Privatkunden ins Gespräch zu kommen und die neuesten Investmentprodukte vorzustellen, bieten die eintägigen Börsentage von Hamburg bis München, die zum Jahresanfang besonders gut besucht sind. Den traditionellen Auftakt liefert dabei Dresden. Mit rund 6.000 Besuchern – bei 550.000 Einwohnern – wird der Börsentag Dresden zu Recht als „größte Finanzmesse Ostdeutschlands“ vermarktet und kann es mit den großen Konkurrenten wie Düsseldorf oder Frankfurt aufnehmen.

Die erste Messe dieser Art im Jahr wird gern als Gradmesser genutzt, um zu sehen, wie die Stimmung unter den Anlegern ist und auf welche Anlageprodukte der Zeitgeist besonders schaut. Die JUNGE FREIHEIT war in Dresden und konnte feststellen: Geht es nach den Einschätzungen privater Investoren, wird die Aufwärtsbewegung an den Börsen noch eine ganze Weile anhalten. Denn obwohl sich viele Anleger optimistisch zeigen angesichts des Börsenumfeldes, gab es keine Euphorie. Viele Besucher hatten neben der Suche nach grundsätzlichen Informationen zur Börse und interessanten Empfehlungen immer wieder Fragen nach dem Risiko von Börsenanlagen im Gepäck.

Präsentationen zum Thema Risiko und Absicherung

Denn es scheint sich ins Gedächtnis vieler Investoren eingebrannt zu haben, daß die Märkte trotz ihrer robusten Verfassung bereits teuer sind. Das mußten auch viele der hundert Aussteller und 60 Referenten aufgreifen. Aufgrund des Zeitpunktes der Messe standen bei den Vorträgen zwar die Jahresausblicke für verschiedene Anlageklassen wie Aktien oder Edelmetalle im Mittelpunkt. Doch viele Präsentationen kamen nicht um das Thema Risiko/Absicherung herum und versuchten, die Anleger auf mögliche turbulentere Zeiten einzustimmen.

Darin unterscheidet sich das derzeitige Messegeschehen deutlich von früheren Jahren, als aus der Anlagebranche hemmungslose Performanceversprechen kamen, die meist reine Marketing-Gags waren. Sollte sich da ein neuer Realitätssinn einstellen? Der wäre insgesamt wiederum recht gut für eine grundsätzliche Fortsetzung der Aktienmarkt-Rallye. Denn es gehört zu den Binsenweisheiten der Börse, daß für eine Aufwärtsbewegung immer genügend Pessimisten vorhanden sein müssen, die im Laufe der Zeit dann zu Optimisten gewandelt werden können. Denn nur so gibt es einen stetigen Nachschub von Käufern, welche die Kurse damit nach oben treiben.

Veranstaltungen wie der Dresdner Börsentag zeigen auch das Interesse an einzelnen Finanzprodukten. Überraschend: Während in den einschlägigen Finanzmedien kaum ein Tag vergeht, wo nicht über Kryptowährungen wie Bitcoin berichtet wird (JF 3/18), spielte dieses Thema in der sächsischen Landeshauptstadt eher eine untergeordnete Rolle. In Einzelgesprächen wurde zwar immer wieder bekannt, daß viele in Bitcoin investiert sind. Doch die Beurteilung der Marktentwicklung lief darauf hinaus, daß hier das hohe Maß an Spekulation gesehen wird und man entsprechend nur mit „Spielgeld“ unterwegs ist.

Das dürfte diese Art der Spekulation von früheren Blasen durchaus unterscheiden. Denn während die Anleger zur Jahrtausendwende geradezu blindlings in die New-Economy-Blase gerannt sind, scheint es beim Hype auf Kryptowährungen nur einen geringen Anteil von Privatanlegern zu geben, die sich hier ernsthaft und mit signifikanten Geldsummen engagieren. Das daraus resultierende geringere Handelsvolumen könnte ein Grund dafür sein, warum es zuletzt auch so starke Kursschwankungen gegeben hat.

Dauerbrenner Gold und börsennotierte Fonds

Andere Themen waren den Besuchern des Börsentages deutlich wichtiger. Insbesondere die Entwicklung in den Internet- und Technologiebranchen wird mit großem Interesse verfolgt. Denn obwohl hier die Börsenbewertungen schon sehr stark angestiegen sind, scheint es einen Grundkonsens zu geben, daß die beteiligten Unternehmen, wie beispielsweise Amazon oder Netflix, auf Jahre hinaus die Art, wie wir leben und konsumieren, beeinflussen werden und damit auch ein Thema für Investoren bleiben.

Der Dauerbrenner Gold ist für viele Privatanleger weiterhin ein wichtiges Diskussionsthema. Dagegen scheinen andere Anlageklassen geradezu an den Rand gedrängt. Dominierten in den vergangenen Jahren insbesondere Zertifikate, ETFs (börsennotierte Fonds) und CFD (Contract for Difference) die Angebotspalette bei Börsentagen, hat sich dies auf ein vernünftiges Maß zurückentwickelt. In die Lücke stoßen neue Formate hinein wie das „Robo-Advisory“ – die computergestützte, automatisierte Vermögensverwaltung.

Aber auch Nischen-Themen wie ökologisches Anlegen, insbesondere in Holz, wie auch Crowdfunding finden nach wie vor ihre Interessenten. Für Anleger, die nicht den Weg nach Dresden fanden, bieten sich im Laufe der kommenden Monate weitere Gelegenheiten, sich über die Verfassung der Börsen und das Angebot der Finanzbranche zu informieren und zu diskutieren. So findet am 3. Februar eine eintägige Börsenmesse in Frankfurt statt. Am 17. Februar gibt es einen Börsentag kompakt in Hannover, und am 10. März steht Düsseldorf auf dem Programm.

Kommende Börsentage in Deutschland: 

www.boersentag-frankfurt.de

 www.hannover.boersentag-kompakt.de

 www.anlegertag.de