© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/18 / 26. Januar 2018

Bullig, geräumig, leistungsstark
Autoindustrie: Dieselskandal scheint auf der Messe in Detroit abgehakt / 2017 war ein Rekordjahr für VW-Konzern / SUV und Geländewagen sind Verkaufsschlager
Christian Schreiber

Während deutsche Politiker und Verbandsfunktionäre von „emissionsfreien“ Fahrzeugen mit Elektroantrieb schwärmen, feiert die Autobranche in Detroit derzeit den „fossilen Verbrennungsmotor“ (Anton Hofreiter). Und noch viel schlimmer: „Ausgerechnet in den USA verkaufen die Autoriesen Ford und GM ihre neuen Erfolgsmodelle jetzt mit Selbstzünder. Der Dieselskandal, der in dem Land seinen Ursprung genommen hat, scheint auf der Messe in Detroit abgehakt“, klagte das Handelsblatt anläßlich der North American International Auto Show (Naias).

Allerdings bezieht sich das nur auf riesige Pickup-Trucks (Pritschenwagen), die in Deutschland eher als Lkw eingeordnet würden. Ansonsten ist weiter der Benziner die erste Wahl – bei umgerechnet 50 Cent pro Liter auch kein Wunder. Diesel ist zehn Prozent teurer – was den Irrwitz von VW zeigt, Amerikanern Mittelklasse-Diesel-Pkw aufzuschwatzen. In den USA verkaufen sich bullige Geländewagen, hochgebockte Kombis (SUV) und Kleinbusse („Mini-Van“) mit hubraumstarken Sechszylinder-Benzinern und über 200 PS besonders gut.

Das gehypte E-Mobilität ist auf der Naias zwar zu finden, aber in der Verkaufspraxis wird sich beim Autoantrieb so schnell nichts verändern. Die meisten US-Kunden wollen und können sich die teuren teil- oder vollelektrifizierten Pkw nicht leisten. Selbst in Kalifornien sind Tesla, Toyota Prius oder Ford Hybrid nur ein Thema für Idealisten, Schauspieler, Professoren oder Großverdiener. Von den 17,23 Millionen 2017 in den USA verkauften Neuwagen waren nur 1,1 Prozent Elektro- oder Hybridautos.

Da die oberste VW-Führungsebene wegen Diesel-Gate – die VW-Manager James Liang und Oliver Schmidt sitzen in US-Haft – noch immer Angst vor Verhaftung haben muß, ist in diesem Jahr in Detroit Dieter Zetsche der ranghöchste Manager aus Deutschland. Der Daimler-Chef präsentierte mit Ex-Gouverneur Arnold Schwarzenegger die neue G-Klasse vor, die weiterhin im österreichischen Graz von Magna Steyr für Mercedes gefertigt wird. In den USA wird der klassische Geländewagen für umgerechnet 100.000 bis 185.000 Euro und nur als Acht- und Zwölfzylinder-Benziner angeboten. Doch das ist eine Ausnahme – in der Regel sind Autos in den USA – selbst bei Berücksichtigung der unterschiedlichen Steuern – bis zu einem Drittel billiger als in Deutschland.

Meistverkauftes Auto ist seit 1981 die Ford F-Serie, die als Sechszylinder ab 23.000 Euro (plus eventuell bundesstaatlicher Steuer) angeboten wird. 896.764 Stück wurden von dem riesigen Pickup 2017 verkauft. Es folgen der GM-Konkurrent Chevrolet Silverado (585.864) und der Ram-Pickup (500.723) von Fiat-Chrysler. Erst auf Rang 4 folgen „EU-taugliche“ Modelle: die Mittelklasse-SUV Toyota RAV4 (407.594) und Nissan Rogue/X-Trail (403.465) sowie die 203- bis 301-PS-Limousine Toyota Camry (387.081).

„Wir arbeiten hart daran –und das Tag für Tag“

Der VW-Konzern ist im Gegensatz zu den Japanern weiter ein ausländischer Nischenanbieter – lediglich 625.100 Audi, VW und Porsche wurden 2017 in den USA absetzt. Das waren aber immerhin 5,8 Prozent mehr als 2016 und ausschließlich Benziner. Und damit der Aufwärtstend anhält, machte Herbert Diess erneut einen veritablen Kotau. „Ich muß mich dafür entschuldigen, daß wir so viele Menschen enttäuscht haben“, sagte der VW-Markenchef bei der Messeeröffnung in Detroit. „Wir arbeiten hart daran – und das Tag für Tag“.

So etwas lieben die Amerikaner – aber noch mehr mögen die US-Kunden, wenn ihnen endlich Autos nach ihrem Geschmack für bezahlbare Preise angeboten werden. Ein Grund für den wachsenden VW-Erfolg ist der VW Atlas – siebensitziger Fünf-Meter-SUV mit 3,6-Liter-Sechszylinder und sechs Jahren Vollgarantie für umgerechnet 27.000 Euro. Der neue VW Jetta, der nur noch den Namen mit dem einstigen „Rucksack-Golf“ gemein hat, ist eine komplett ausgestattete Stufenheck-Limousine vom Passat-Format mit 150-PS-Benziner und echter Achtgangautomatik für unter 16.000 Euro. In Deutschland sollen beide Modelle nicht angeboten werden – das würde die deutsche Hochpreisstruktur ins Rutschen bringen.

„Hier in den USA legen wir die Basis dafür, daß Volkswagen wieder ein relevanter Volumenhersteller wird“, verkündete Diess in Detroit. Für 2020 verspricht er wieder schwarze VW-Zahlen in den USA, der Marktanteil von derzeit nur noch zwei Prozent soll wieder nach oben gehen: „Wir haben uns auf vertretbarem Niveau stabilisiert, jetzt wollen wir wieder angreifen.“

Weltweit gesehen ist der VW-Konzern ohnehin auf der Überholspur: Im abgelaufenen Jahr wurden insgesamt 10,74 Millionen Autos verkauft – soviel wie nie zuvor. Für Toyota reichte es mit einigen zehntausend weniger nur für Rang zwei. Besonders gut lief es für die Wolfsburger in Südamerika (521.600/+23,7 Prozent), Ost- und Zentraleuropa sowie Rußland (744.600/+13,2 Prozent). China ist mit fast vier Millionen abgesetzten Autos (5,1 Prozent) aber der wichtigste Markt.

Konzern-Chef Matthias Müller sprach in einer Presseerklärung von einem „historisch guten Auslieferungsergebnis“. Er sieht Volkswagen nach wie vor auf dem richtigen Weg. „Wir investieren entschlossen und aus eigener Kraft in die Mobilität von morgen: in die Elektromobilität, das autonome Fahren, neue Mobilitätsdienste und in die Digitalisierung“, so Müller in Wolfsburg. Das kommt bei den Politikern gut an. Aber vielleicht sollte der frühere Porsche-Chef sich lieber wie in den USA um die eigegen Kunden kümmern. In Deutschland ging der VW-Absatz 2017 um 0,4 Prozent auf unter 1,29 Millionen zurück.

Detroit Motor Show 2018: naias.com

Absatzzahlen Volkswagen-Gruppe:  volkswagenag.com/