© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/18 / 26. Januar 2018

Die Rotoren stehen still
Bundeswehr: Die Truppe muß vermehrt auf zivile Hubschrauber zurückgreifen / Veraltetes Material
Hans Brandlberger

Seit 2014 hat der Generalinspekteur der Bundeswehr dem Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages alljährlich einen „Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme“ vorzulegen. Was dort zu lesen stand, ließ auch die Öffentlichkeit jedesmal aufhorchen. Vom sogenannten „Gesamtbestand“ der Systeme war jeweils nur ein Teil überhaupt verfügbar und ein noch kleinerer tatsächlich einsatzbereit. Eindrucksvoller konnte die Diskrepanz zwischen dem vollmundig verkündeten Anspruch der Politik, Deutschland wolle auch militärisch mehr Verantwortung in der Welt übernehmen, und dem Ressourcenmangel der Bundeswehr, die dies umsetzen soll, nicht zum Ausdruck gebracht werden. 

Die Zahlen für das Jahr 2017 zu präsentieren, blieb dem Generalinspekteur bislang erspart, da sich der Verteidigungssausschuß der neuen Legislaturperiode erst in diesen Tagen konstituiert. Die Hoffnung, daß sich die Lage trotz aller propagierten „Trendwenden“ einschneidend verbessert haben könnte, ist gering. Dies betrifft insbesondere die Hubschrauber der Bundeswehr, um die es fast schon traditionell besonders schlecht bestellt ist. 

Alle drei Teilstreitkräfte sind hiervon betroffen. Wenn Waffensysteme in die Jahre gekommen sind, stehen sie vor dem sogenannten „Obsoleszenzproblem“: Ersatzteile können nicht mehr oder nur sehr aufwendig beschafft werden, manchmal muß sogar eigenes Gerät zur Ausschlachtung geopfert werden. Die Kosten für Wartung und Instandsetzung explodieren. Vor diesem Problem steht auch die Luftwaffe mit ihrer Flotte aus Transporthubschraubern des Typs CH-53, die sie vor einigen Jahren vom Heer übernommen hat. Das erste Exemplar dieses unterdessen natürlich mehrfach modernisierten Modells wurde 1972 (!) an die Bundeswehr übergeben. Die aktuelle Verfügbarkeit ist offenbar so gering, daß etwa im Afghanistan-Einsatz auf zivile Anbieter zurückgegriffen wird, um Personal und Material (in mehr oder weniger risikoarmen Gebieten) per Hubschrauber zu transportieren. 

Eigenes Gerät muß         ausgeschlachtet werden

Allerdings könnte eine solche Lösung auch dann ratsam sein, wenn es der Bundeswehr vergönnt wäre, aus dem vollen zu schöpfen. Die Kosten, die pro Flugstunde für eigenes Gerät zu veranschlagen sind, übersteigen die Preise ziviler Dienstleister, an die man nicht originär militärische Aufgaben auslagert, in der Regel um das Mehrfache. In diesem Licht ist auch die in den Medien vielfach aufgespießte Entscheidung zu sehen, mit der ADAC-Luftfahrttechnik einen Vertrag zu schließen, der die Bereitstellung von 6.500 Flugstunden auf dem Modell H135 vorsieht. Für die nichtmilitärische Pilotenausbildung ist dies ausreichend und kostengünstiger als die Nutzung eigener Ressourcen.

Als eine Erfolgsgeschichte betrachtet die Bundeswehr hingegen die Einführung des H145M, des von der Luftwaffe betriebenen „Leichten Mehrzweckhubschraubers zur Verbringung von Spezialkräften“ – das Vorhaben wurde in Rekordzeit und ohne Überschreitung des Kostenrahmens durch Airbus realisiert. Allerdings ist seine Bewaffnung noch rudimentär, an Lösungen wird gearbeitet. 

Das Phänomen, daß Hubschrauber (und auch anderes Gerät) in die Truppe gelangen, ohne komplett ausgereift zu sein, ist auch dem Heer hinsichtlich der Kampfhubschrauber Tiger und der Transporthubschrauber NH90 geläufig. Einer „Task Force Drehflügler“ ist es aber gelungen, die Zahl der unterschiedlichen Bauzustände, die man im Zuge der forcierten Einführung hingenommen hatte, zu reduzieren. Darüber hinaus konnte sie die Ersatzteilversorgung beschleunigen und die komplexen Inspektionssysteme, die zu langen Auszeiten führten, vereinfachen. Dies dürfte sich auszahlen, ohne jedoch damit grundsätzliche Probleme beheben zu können. Ereignen sich Unfälle oder werden Mängel bei einem Hubschrauber festgestellt, wird zur Sicherheit zumeist die gesamte Flotte mit Flugverbot belegt. Auch sind die Stückzahlen, die beauftragt wurden, vermutlich zu gering, um die erforderliche Einsatzbereitschaft gewährleisten zu können. 

Das ist kein typisch deutsches Phänomen. Hubschrauber sind in allen europäischen Partnerstaaten eine Mangelressource. Als gäbe es der Probleme nicht bereits genug, hat das durch die EU angestoßene neue Vergaberecht ein zusätzliches aufgeworfen. Im Wettbewerb unterlegene Unternehmen fühlen sich heute ermuntert, die Vergabe juristisch anzufechten. Davon betroffen ist aktuell der leichte Rettungshubschrauber, den die Bundeswehr auch für die zivile Nothilfe zur Verfügung stellt. Das Verfahren, das bei der Vergabekammer des Bundes in Düsseldorf anhängig ist, dürfte seine Einführung um mehrere Jahre verzögern.