© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/18 / 19. Januar 2018

Das katholische Referenzblatt erneuert sich
Start als Wochenzeitung: „Die Tagespost“ nimmt die erste Hürde ihrer Rettung
Franz Salzmacher

Das Experiment scheint zu glücken. Die katholische Zeitung Tagespost, deren Chefredakteur und Geschäftsführer Oliver Maksan Anfang November in einem Brandbrief an die Abonnenten um Spenden bat, damit der Untergang der einzigen katholischen überregionalen Zeitung verhindert werde (JF 48/17), meldete kurz vor Jahresende Rettung. Die Reaktion auf das SOS aus Würzburg sei überwältigend gewesen. Die Summe der benötigten 287.000 Euro sei deutlich erreicht worden. Der geplante Übergang zur Wochenzeitung konnte realisiert werden. 

Anders als ihre Vorgänger Publik und Rheinischer Merkur lebt diese Wochenzeitung nun dank der Leser und nicht dank Subventionen der Amtskirche. Zwar reicht das Geld noch nicht für eine dauerhafte Perspektive, aber der private, juristische Rahmen einer Stiftung gewährt dem Blatt Unabhängigkeit ,und das ist für publizistische Produkte das größte Kapital. Damit will das Blatt nun wachsen und versuchen, die Zahl der Abonnenten von derzeit rund 8.500 auf die Gewinnschwelle von 13.500 zu erhöhen.

Kritisch gegenüber  der Funktionärskirche

Sie tut es in Form und Inhalt. Seit Januar erscheint das Blatt mit 32 Seiten in neuem Gewand. Zwei Redakteure konnten eingestellt werden, einer eigens für den neuen Internet-Auftritt, ein zweiter verstärkt die kleine Redaktion von einem halben Dutzend Redakteure. Vier neue Fachseiten wurden eingerichtet: „Glaube und Wissen“, die vor allem bioethische Themen aufgreift; „Familie“, die die Informationslücke in den meisten Medien füllen und auch Tips für Familie und Erziehung bieten soll; „Bildung“, die diesen darbenden, aber gesellschaftlich immer wichtiger werdenden Sektor ausleuchten soll, und „Neu-Evangelisierung“, die über christliche Aufbrüche berichten soll. 

Eigene Autoren mit einschlägiger Expertise betreuen Konzeption und Erstellung dieser Seiten. Deutlich ist der strukturell-inhaltliche Akzent „Kirche, Theologie, katholisches Leben“. Er füllt nicht nur ein eigenes Buch, er durchzieht auch die anderen Teile der Zeitung. So befaßten sich die ersten beiden Ausgaben mit den Schwerpunktthemen „Stillstand oder Aufbruch?“ in der katholischen Kirche sowie „Das Verblassen der Ratzingerianer“. In der laufenden dritten Nummer gilt der Schwerpunkt der „Kinderarmut“. Auch in den anderen Teilen ist das Bemühen erkennbar, eigens das Interesse für Christen an einem Thema herauszustellen. Das ist das Lebensprinzip dieses Referenzblatts der Katholiken in Deutschland.

Dennoch ist das immer donnerstags erscheinende Blatt alles andere als eine Kirchenzeitung. Dafür sorgt nicht nur die Verlags- und Stiftungsform. Die Zeitung ist kirchlich unabhängig, was schon in den Kommentaren zum Ausdruck kommt: Insgesamt wohlwollend, aber durchaus auch kritisch gegenüber der Funktionärskirche. 

Auch gegenüber einzelnen Äußerungen aus Rom, Köln oder München hält man mit kritischen Fragen und Bemerkungen nicht hinter dem Berg. Es überwiegt die nüchterne Analyse, basierend auf Zahlen und Fakten. Das dürfte für manche Katholiken ernüchternd sein (zum Beispiel in der ersten Nummer die Zahlen über Austritte, Taufen, Hochzeiten, Firmungen), ermöglicht dem Leser aber eine realistische Einordnung des Geschehens in Kirche und Welt. Dazu paßt, daß das Blatt sich auf bekannte, unabhängige Autoren stützt, zum Beispiel Matthias Matussek, Josef Kraus oder Birgit Kelle. 

Dazu paßt auch, daß bei kontroversen Themen Pro-Contra-Seiten veranstaltet werden, etwa beim Thema Familiennachzug das Pro des Hamburger Erzbischofs Stefan Heese gegen das Contra des innenpolitischen Sprechers der Unionsfraktion Stephan Mayer. Interviews mit Kardinälen und Politikern runden die Debattenkultur ab. Parallel zum neuen, luftig-übersichtlichen Layout wurde auch die Internet-Seite neu gestaltet. Sie soll die Tagesaktualität einfangen und nicht nur das Print-Produkt wiedergeben. Die Aufmachung der Internetseite ist in der Form sicher ansprechend, inhaltlich allerdings noch bescheiden. Es fehlt schlicht die Mannstärke, mithin das Geld, um auch diese Flanke stärker zu bestücken.

Ob es langfristiger Erfolg wird hängt davon ab, ob neue Abonnenten dazukommen. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Wochenzeitungen legen zu, weil und wenn sie programmatisch eine klare Linie vertreten. Dafür stehen beispielsweise die JUNGE FREIHEIT oder auch der Freitag. Leser sind offenbar bereit, für „ihre“ Zeitung auch mal ein Extra zu zahlen. Natürlich hat dieser Trend ein begrenztes Potential, für eine katholische Wochenzeitung dieses Typs liegt es nach Marktanalysen bei maximal 75.000. Die Meßlatte für das laufende Experiment liegt erheblich tiefer. Aber für ein vernehmbares publizistisches Gewicht im öffentlichen Diskurs reicht auch schon eine deutlich geringere Auflage.