© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/18 / 19. Januar 2018

Auf dem Weg zur Unterwerfung
Schuldversessenheit: Gewaltverbrechen von Ausländern werden von der Zivilgesellschaft bagatellisiert
Thorsten Hinz

Die Reaktionen aus Politik, Medien und Zivilgesellschaft auf die Ermordung der 15jährigen Mia aus dem rheinland-pfälzischen Kandel, die von einem afghanischen Schutzsuchenden erstochen wurde (JF 3/18), verrieten Routine. Verschweigen ließ die Bluttat sich zwar nicht mehr, nachdem das Portal PI-News sie an die Öffentlichkeit gebracht und die Medien damit unter Zugzwang gesetzt hatte. Sie zogen sich darauf zurück, es habe sich um eine „Beziehungstat“ gehandelt. Die Besonderheiten und der Verlauf dieser interreligiösen Beziehung wurde unterschlagen oder bagatellisiert.

Um so eindeutiger fiel die Empörung des SPD-Bürgermeister darüber aus, daß aufgebrachte Bürger von „Politikversagen“ zu sprechen wagten und „Konsequenzen im Umgang mit Flüchtlingen“ verlangten. Die Antifa ließ erneut alle zivilisatorischen Standards vermissen und störte mit bunten Regenschirmen einen Trauermarsch. Sie wurde noch überboten vom örtlichen Karnevalsverein, der gerade in der fünften Jahreszeit die Mitte der Zivilgesellschaft verkörpert: Er rief zu einer Menschenkette auf und kündigte an, „an alle Teilnehmer bunte Fähnchen (zu) verteilen nach dem Motto: Kandel ist bunt“.

Der Präsident der Evangelischen Kirche der Pfalz, Christian Schad, ermahnte die Gläubigen: „Lassen wir uns nicht zur Unmenschlichkeit verführen.“ Darunter verstand er offensichtlich eine Änderung der Asylpolitik, die ein Mindestmaß an öffentlicher Sicherheit wiederherstellt. Auch die Stellvertretende SWR-Chefredakteurin warnte in einem reichlich wirren Kommentar in den ARD-Tagesthemen vor einem „Mißbrauch“ des Messermords.

Auf der Trauerfeier flüchtete Pfarrer Arne Dembeck sich vor der Frage: „Warum Mia sterben mußte, so früh, vor aller Zeit?“ in die Allerweltsformel: „Die Frage bleibt offen“. Dabei liegt die Antwort auf der Hand: Man hat die Falschen unkontrolliert ins Land gelassen, man hat die eigenen Landeskinder nicht behütet, nicht beschützt und nicht einmal gewarnt. Staat, Parteien, Medien, die Sachwalter der Zivilgesellschaft, die Kirchen – die Schuld an Mias Tod liegt auch bei ihnen.

Wer im März 2013 die Bluttat von Kirchweyhe verfolgt hat, wo der 25jährige Lackierer Daniel S. von einem südländischen Mob totgetreten wurde (die JF berichtete), hatte jetzt ein Déjà-vu-Erlebnis. Auch damals reagierte die Zivilgesellschaft mit einer Kundgebung unter der Losung „Weyhe ist bunt, nicht braun!“ Den Höhepunkt bildete der Auftritt eines in Selbstmitleid zerfließenden Pfarrers, der erklärte, er könne die „Abscheulichkeit“, wie das Verbrechen instrumentalisiert werde, nicht mehr aushalten. Die Presse nannte das Pharisäertum „Zivilcourage“!

Zwischen Kirchweyhe und Kandel hat sich etwas verändert, und zwar zum Schlechteren. Obwohl die Korrelation zwischen dem Anstieg der Gewalttaten und der Flutung mit jungen Männern aus dem arabisch-afrikanischen Raum erwiesen ist, werden von dieser Spezies jeden Tag mehr ins Land gelassen und die Voraussetzungen für den einseitig geführten, molekularen Bürgerkrieg verfestigt.

Botho Strauß schrieb 1993 im „Anschwellenden Bocksgesang“ über die Konfrontation mit den speziellen Kulturträgern: „Daß ein Volk sein Sittengesetz gegen andere behaupten will und dafür bereit ist, Blutopfer zu bringen, das verstehen wir nicht mehr und halten es in unserer liberal-libertären Selbstbezogenheit für falsch und verwerflich.“ 25 Jahre danach und eine anschwellende Völkerwanderung später muß dieser Satz modifiziert werden. Denn wer heute aus archaischen Kulturen nach Deutschland kommt, braucht, um sein Sittengesetz zu behaupten, keinerlei Opfer zu erbringen, erst recht kein Blutopfer. Es verhält sich umgekehrt. Sein Sittengesetz wird nicht bloß toleriert, er wird im Zeichen der Nichtdiskriminierung und der universellen Menschenrechte sogar ermutigt, daran festzuhalten. Was ihm – seiner Meinung nach – als Beute zusteht, wird ihm freiwillig als Sühneleistung dargeboten. Das löst bei ihm jedoch keineswegs Dankbarkeit oder den Willen aus, sich einzufügen, sondern läßt ihn seinen Beutebegriff erweitern. Zunehmend werden die Sühneleistungen in Form erlittener Tötungen, Vergewaltigungen, Schädel- und Nasenbeinbrüchen erbracht.

Die Priester dieser blutigen Zivilreligion sehen sich durch die Toten und Verletzten keineswegs veranlaßt, den Kreislauf des Unheils zu durchbrechen oder auch nur zu benennen. Sie interpretieren die Verbrechen als Sühneopfer und Mahnung an die Landeskinder, ihre Sühneleistungen weiter zu steigern. Unerbittlich betet sie danach ihr Schuldmantra herunter: Wir, die deutsche Gesellschaft, müssen uns anklagen, daß wir den Einwanderern nicht rascher Wohnungen zur Verfügung stellen: daß wir ihnen nicht umstandslos erlauben, ihre Familien nachzuholen; ihnen nicht freudiger Minarette errichten, damit sie sich wie zu Hause fühlen; daß wir ihnen nicht williger die Herzen öffnen und für ihre sexuelle Entspannung sorgen. Die Kriminalität und die Unsicherheit im öffentlichen Raum werden zum Ausdruck eines berechtigten Unmuts umgedeutet, an dem wir, die deutsche Gesellschaft, die Schuld tragen!

In dieser Politik sind religiöse Energien wirksam, die durch die herkömmliche Theologie nicht mehr gebunden werden können und sich ein neues Betätigungsfeld suchen. „Kulturelle und historische Unbildung befördern die Theologie der Schuld, die die Geschichte in eine Tabula rasa verwandelt“, schreibt der amerikanische Politikwissenschaftler Paul Gottfried in dem Buch „Multikulturalismus und die Politik der Schuld“.

Nun hatte der Kulturanthropologe René Girard als spezielle Qualität des Christentums herausgestellt, daß es auf das Opfer verzichtet und „die grundsätzliche Täuschung der archaischen Religionen (aufdeckt), die Geisteshaltung des Mobs, von dem sie beherrscht werden. Durch „die Wahrheit des Opfers, die sich durch die Kreuzigung enthüllt, wird (…) jedes andere und weitere Opfer nichtig“ gemacht. Jesus habe seine Zuhörer gewarnt, „auf das Opfer als künstliches Mittel zu vertrauen, um mit ihren Nächsten in Frieden zu leben“. 

Das ist ein entscheidender Punkt! Die aus der Schuldversessenheit resultierenden Opfer, die kaltschnäuzig in Kauf genommen, möglicherweise sogar eingepreist werden, sind Stationen auf dem Weg zur Unterwerfung. Die schuldtheologisch grundierte Politik wird sukzessive zur untergeordneten, funktionalen Größe einer archaischen Kulturmechanik, die die Lebenswelt Deutschlands und der westeuropäischen Länder mehr und mehr durchdringt. Der Lynchmob, der sich rudelweise um den einzelnen Indigenen versammelt, um ihn zu demütigen, zu verletzten oder zu töten, weiß genau, welche Stellung und Funktion ihm zukommt. Er nennt ihn verächtlich: „Du Opfer!“

Sein unfreiwillig geopfertes Blut wird für Heerscharen von Experten zum perversen Stimulus. Die Gewaltausbrüche werden aus der fehlenden „Bleibeperspektive“ abgeleitet. Ein zügiger Familiennachzug wird gefordert, obwohl alle Erfahrungen dafür sprechen, daß die Parallelgesellschaften sich dadurch ausweiten und ihre Kohärenz sich verstärkt. In der Folge können sie noch aggressiver in Konkurrenz zur deutschen Mehrheitsgesellschaft treten. Offenbar sind die Funktionseliten bereit, das zu akzeptieren. Als betrachteten sie die pure Existenz eines abendländisch geprägten Deutschland und Europa als eine Schuld, die durch Selbstaufopferung und -auslöschung gesühnt werden muß.

Das Mittel dazu ist die Politik der offenen Grenzen. Oft wird sie als das Gegenteil und die definitive Überwindung des rigiden Grenzregimes der DDR gerechtfertigt. Die einst die Mauer – und konsequenterweise auch die Mauertoten – als Sühne für den Nationalsozialismus akzeptiert hatten, tönen nun im Chor der vermeintlich guten Menschen am lautesten. Richtig ist, daß der Mauerfall nicht als Möglichkeit genutzt wurde, zu staatlicher Normalität zurückzukehren, sondern als Gelegenheit, den nationalen Ausnahmezustand unter veränderten Vorzeichen zu verlängern.

Blicken wir auf den Umgang, den die beiden deutschen Staaten mit ihren selbstverursachten Toten pflegten beziehungsweise pflegen. Den Angehörigen der Maueropfer wurde damals ein öffentliches Rede- und Trauerverbot auferlegt, was eine Machtdemonstration des SED-Staates, aber auch ein Zeichen von Restscham war, widerlegten der Fluchtversuch und seine tödliche Unterbindung doch den humanistischen Anspruch, den die DDR proklamierte. Die heutigen Toten, die gleichfalls aus einer falschen Politik resultieren, werden in aller Öffentlichkeit dafür mißbraucht, um diese Politik zu bestätigen und zu intensivieren.

Was ist eigentlich abstoßender?