© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/18 / 19. Januar 2018

Der US-Prozessor-Skandal ist kein neues VW-Dieselgate
Macht- statt Marktwirtschaft
Thomas Kirchner

Etwa 25 Milliarden Dollar hat der Dieselskandal den VW-Konzern bisher gekostet. Allein in den USA belaufen sich die Strafzahlungen auf 15 Milliarden Dollar – und das, obwohl nur fünf Prozent der betroffenen Fahrzeuge in Nordamerika verkauft wurden. Die amerikanischen Strafen sind zwar schmerzhaft für VW, aber zu verkraften: die Aktie notiert inzwischen wieder auf dem Niveau von vor dem Bekanntwerden des Skandals.

Schlechter lief es hingegen für den japanischen Airbaghersteller Takata, der 46 Millionen potentiell gefährlicher Airbags in amerikanischen Autos verbaut hatte und nach einer Strafe von einer Milliarde Dollar und bis zu 50 Milliarden an Schadensersatz Konkurs anmelden mußte. Heute gehören die Reste Takatas einem chinesischen Konglomerat.

Wie wird es nun Intel und AMD ergehen, deren haarsträubende Sicherheitslücke fast jeden PC zu einem Hackerziel (JF 3/18) werden läßt? Der große Unterschied zu VW ist, daß Prozessoren keine Regulierungsbehörde haben, der gegenüber geflunkert werden kann. Strafverfahren und Haft für Manager sind damit vom Tisch, auch hohe Strafzahlungen seitens der Konzerne. Trotzdem sind zivilrechtliche Schadensersatzforderungen sicher. Präzedenzfall ist der Pentium-Rechenfehler von 1994: 475 Millionen Dollar Haftung bei fünf bis zehn Millionen betroffenen Chips. Ein weiterer Vergleichsfall sind die acht Millionen defekten Festplattensteuerchips „Cougar Point“, wo ein einziger falsch berechneter Transistor 2011 bei Intel für 700 Millionen Dollar Schaden sorgte. Von „Meltdown“ und „Spectre“ sind jetzt Milliarden von Chips betroffen. Theoretisch könnte der Schadensersatz ruinös werden.

Weil für Normalanwender die Leistungseinbußen durch die Schließung der Sicherheitslücke kaum bemerkbar sind, werden sich die Schäden in Grenzen halten. Es sind nur Hochleistungsnutzer wie Datenzentren, die jetzt zusätzliche Systeme kaufen müssen und die ernsthafte finanzielle Konsequenzen erleiden.

Selbst wenn Behörden von Intel und AMD hinters Licht geführt worden wären, hätte es wahrscheinlich für die beiden US-Konzerne weniger gravierende Auswirkungen als für VW. Denn amerikanische Strafverfolger greifen bei ausländischen Konzernen strenger durch als bei einheimischen. Sie sehen die meist laxe Verfolgung von Vergehen durch ausländische Behörden als Wettbewerbsnachteil für amerikanische Firmen. Gerade beim VW-Skandal war dies ein Faktor, denn es sieht so aus, als hätten EU-Behörden von den Abgasmanipulationen gewußt, ohne einzugreifen.

Die extraterritoriale Durchsetzung amerikanischer Rechtsstandards wird auf absehbare Zeit weitergehen. Intel und AMD als US-Unternehmen brauchen sich keine Sorgen zu machen. Deutsche Unternehmen hingegen müssen weiterhin vorsichtig sein: jede falsche Aussage einer US-Behörde gegenüber führt zum Ruin – oder sogar ins Gefängnis (JF 51/17).