© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/18 / 19. Januar 2018

Grüße aus Santiago de Cuba
Sind doch nur ein paar Tage
Alessandra Gracia

Ob ich wirklich so eine Ignorantin sei, herrscht mich mein Nachbar, der Blockwart, an. Ob ich die Genialität des Comandante nicht erkenne, die Bedeutung dieses Tages? Ob ich glaube, daß sich Raúl Castro nichts dabei gedacht habe, ausgerechnet an einem 19. April, und nicht wie vor Jahren angekündigt, am 24. Februar seinen Nachfolger zu küren?

Natürlich sei dieses Datum ein historisches, mischt sich ungefragt meine Nachbarin zur anderen Seite, die 90jährige Maria, ein: Es sei der letzte Tag, an dem der Castro-Clan auf Kuba herrsche, sagt sie und schlägt ein Kreuz.

Der CDR-Präsident (Komitee zur Verteidigung der Revolution) läuft rot an, starrt auf das Kruzifix, das die Bluse der alten Dame schmückt, und schluckt. Die gefürchtete Schimpftirade bleibt aus.

Ursprünglich ging es auch nicht um Politik, sondern um Zement, Holz und Ziegel.

Mit meiner laut gestellten Frage, warum der kleine Bruder noch zwei Monate weiter regieren will, habe ich gegen das ungeschriebene Gebot verstoßen, Politisches nicht auf der Straße zu diskutieren, auch nicht vor der eigenen Haustür. Ursprünglich ging es auch nicht um Politik, sondern um Zement, Holz und Ziegel. Das Dach ist undicht. Und hatte das Parlament nicht auf seiner Sitzung Ende Dezember – neben der Verlängerung der aktuellen Legislatur um zwei Monate – die Bildung von einem halben Tausend „Mini-Industrien“ zur lokalen Produktion von Baustoffen verkündet? Von der Spekulation, ob das Material dann für nationale Pesos oder für Devisen verkauft werde, war es nur ein Schritt zur seit Jahren angekündigten Währungsreform, einem der Lieblingsprojekte Raúl Castros, an dem angeblich derzeit 200 Experten arbeiteten.

Daß die Zerstörungen des Hurrikans „Irma“ im Oktober der Grund für seinen verschobenen Rückzug aus den Regierungsgeschäften sind, glaube ich dem Comandante einfach nicht. Was will er in zwei Monaten richten? Selbst die Zerstörungen von „Sandy“ sind noch überall sichtbar, und dieser Hurrikan tobte sich im Herbst 2012 über Kuba aus.

Papperlapapp, sagt der Straßen-Presidente und knöpft sich die Jugendlichen von gegenüber vor, die gerade aus der Schule gekommen sind und dabei sind, sich ihrer Pionierhalstücher zu entledigen. Welche Bedeutung der 19. April in der Geschichte Kubas habe? Die drei schauen sich verblüfft an, dann fällt einem tatsächlich etwas ein: Der Sieg in der Schweinebucht 1961? Über die konterrevolutionären Invasoren aus Miami? Der Blockwart strahlt. Genau.