© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/18 / 19. Januar 2018

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Einer für alles
Paul Rosen

Noch nie hat die Bildung einer Regierung nach der Bundestagswahl so lange gedauert wie jetzt. Um wenigstens eingeschränkt handlungsfähig zu sein, wurde im Bundestag die Einsetzung eines Hauptausschusses mit 47 Mitgliedern vereinbart. Das von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) geleitete Gremium ist ein Bundestag im kleinen. Seine Zusammensetzung entspricht den Fraktionsstärken. Ihm gehören 17 Mitglieder von der Union, zehn von der SPD, sechs von der AfD, je fünf von FDP und Linkspartei sowie vier von den Grünen an. Schäuble beziehungsweise seine Vizepräsidenten leiten die Sitzungen. Da ein AfD-Vizepräsident bisher nicht gewählt wurde, gab es für die AfD in der Hauptausschuß-Spitze keinen Stellvertreter-Automatismus. 

Die Frage, inwieweit ein Hauptausschuß sinnvoll und nötig ist, wird unterschiedlich beantwortet. Nach der Wahl 2013 wurde so ein Gremium auch eingesetzt. Die Regierungsbildung war seinerzeit aber bis Weihnachten unter Dach und Fach. Für die Grünen warf die damalige Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der Mehrheit aus Union und SPD „Willkür im Umgang mit dem Parlament“ vor. Die Koalition mache den Bundestag „zum Abnickverein“, statt ordentliche parlamentarische Beratung in den regulären Ausschüssen zu ermöglichen. Die Linke lehnte einen Hauptausschuß damals wie heute ab: Die Grünen knickten jetzt ein, weil zu Beginn dieser Legislaturperiode auch der Petitions- und Geschäftsordnungsausschuß eingesetzt worden seien. Für die Befürworter erklärte Michael Grosse-Brömer (CDU) im November, es habe wenig Sinn, schon vor Bildung der Regierung und damit Kenntnis des Ressortzuschnitts alle Ausschüsse einzusetzen, „wenn man mit einem Hauptausschuß die gleiche Wirkung erreichen kann und die gleiche Arbeit effizienter schaffen kann“. 

Notwendig war ein Ausschuß zur Erstellung von Beschlußvorlagen für das Plenum vor allem wegen sieben Auslandseinsätzen der Bundeswehr, die verlängert werden mußten. Im übrigen wurden in den drei Sitzungen Anträge von Fraktionen zu Sachthemen abgehandelt. Für die Mitglieder waren die Debatten und Entscheidungen schwierig, weil sie nicht in allen Themen firm waren und Innenpolitiker sich plötzlich mit Details in Anträgen zur Außenpolitik befassen sollten. „Länger als zwei, drei Monate hältst du das nicht aus“, zitierte der Stern den CDU-Abgeordneten Armin Schuster. Es gebe zu viele Themen und zu wenig Leute. Das Effizienz-Argument von Grosse-Brömer löste sich damit in Luft auf. 

Sein zweites Argument, daß man bis zur Bildung einer Regierung keine Ausschüsse einsetzen kann, weil sich diese am Zuschnitt der Ministerien orientieren, war ebenfalls an den Haaren herbeigezogen, weil der Bundestag genau das jetzt tun wird: In dieser Woche erfolgt ein Beschluß zur Einsetzung der Ausschüsse nach dem Zuschnitt der jetzigen geschäftsführenden Regierung, Ende Januar werden sich alle Ausschüsse konstituieren. Das hätte man alles kurz nach der ersten Bundestagssitzung schon haben können.