© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/18 / 19. Januar 2018

Festung Dänemark
Grenzkontrollen: Seit 2016 macht das kleine skandinavische Land seinem Nachbarn im Süden vor, wie Grenzen effektiv geschützt werden können
Hinrich Rohbohm

Zwei große orangefarben blinkende Pfeile zucken mitten auf der Fahrbahn. Blaulicht leuchtet auf. Die Geschwindigkeit auf der Autobahn 7 ist plötzlich auf 40 km/h reduziert. „Kontrol“ steht auf einem weißen Schild geschrieben. Zwei auf die Straße gestellte vier Meter hohe Verkehrsbarrikaden verengen den Weg. Hinter ihnen ist ein großes Zelt aufgebaut, neben dem die Nationalflaggen der skandinavischen Länder Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland und Island straff in dem windigen Schmuddelwetter wehen. Die ankommenden Fahrzeuge reduzieren ihre Geschwindigkeit. Sie haben die deutsch-dänische Grenze erreicht.

Lange Staus während      Ferien und Feiertagen

„Heute ist’s ja nicht so schlimm“, meint ein Lkw-Fahrer, ein wohlbeleibter Mann mit schwarzem Vollbart und Brummbär-Stimme. Er hat auf der gegenüberliegenden Raststätte Ellund West eine Pause eingelegt, sitzt im Restaurant am Fenster, mit Blick auf die dänische Grenzstation. Von dort sieht er, wie Polizisten gelegentlich einige Fahrzeuge herauswinken und zum aufgebauten Zelt lotsen. „Wenn Ferienzeit ist oder Feiertage anstehen, staut sich das hier oft kilometerweit“, sagt er. 

Eine Raststätten-Verkäuferin kann das bestätigen. Tag für Tag sieht sie von ihrem Arbeitsplatz aus auf die Grenzstation. „Es ist wirklich sehr unterschiedlich. Manchmal ist es vollkommen ruhig. Dann wieder gibt es Zeiten, da hört der Stau gar nicht mehr auf.“ Tage, die die Lkw-Fahrer hassen. „Das bringt uns natürlich immer in Zeitnot“, erklärt der Mann mit der Brummbär-Stimme. „Das hätte man sich alles sparen können, wenn man die europäischen Außengrenzen anständig geschützt hätte“, schimpft er. Daß Angela Merkels „Wir schaffen das“-Politik zu Problemen führen werde, sei ihm „von Anfang an“ klar gewesen. Für die Maßnahmen der dänischen Regierung habe er „vollstes Verständnis“, auch wenn sie ihm manchmal „nervige Wartezeiten“ einbrächten. 

Er sei auch schon mal Touren über Calais gefahren, hatte vor zweieinhalb Jahren die dramatischen Szenen dort vor dem Eurotunnel mitbekommen, als Afrikaner auf die Autobahn stürmten und die Ladetüren der Lkws aufrissen, um im Frachtraum versteckt nach Großbritannien zu gelangen. „So etwas möchte ich nicht noch einmal erleben.“

 Seit Januar 2016 kontrolliert Dänemark seine Grenze zu Deutschland. Die Regierung in Kopenhagen hatte damals aufgrund der Zuwanderungskrise erstmals seit über 20 Jahren wieder Kontrollen eingeführt. Kontrollen, die künftig noch schärfer ausfallen sollen. Darauf hatte sich das dänische Parlament Ende des vergangenen Jahres verständigt. 15 Millionen Euro hat die Regierung in ihrem Haushalt dafür veranschlagt. Schon im September vorigen Jahres hatte Dänemark eine Verschärfung vorgenommen. Seitdem wird die Polizei von bewaffneten Soldaten bei ihrer Arbeit unterstützt.

 Künftig sollen an allen Grenzübergängen zusätzlich automatische Nummernschild-Scanner stehen. Darüber hinaus ist an den Hauptübergängen der Bau von Kontrollgebäuden geplant. An den kleineren Stationen werden nun verstärkt Polizeistreifen patrouillieren. Auch Zivilfahrzeuge und Luftaufklärung soll zum Einsatz kommen. Wir machen den Test, fahren mit dem Pkw über die Grenze. Zwei dänische Polizisten in gelben Schutzwesten sind dort postiert. Wir sind für sie uninteressant. Sie winken uns schnell durch. Auch in Pattburg ist die Durchfahrt – abgesehen von der Geschwindigkeitsreduzierung und Wartezeiten bei höherem Verkehrsaufkommen – kein Problem.

 Hier stehen auch Soldaten in gefleckten Uniformen an der Kontrollstelle. Neben der Grenzstation haben zwei Polizisten eine Gruppe Südländer gestoppt. Sechs Männer. Sie tragen Einkaufstaschen bei sich, sind mit dem Bus von Deutschland gekommen und mit ihm bis zur deutsch-dänischen Grenze, der Endhaltestelle gefahren. Nach einer kurzen Befragung und Überprüfung ihrer Pässe dürfen sie passieren. „Hier kamen wirklich sehr viele Ausländer her“, erinnert sich eine dänische Anwohnerin aus Pattburg an die Zeiten des Höhepunkts der Zuwanderungskrise vor zwei Jahren. 

Seit den Kontrollen habe sich das schlagartig geändert. „Die meisten hier im Ort haben die Kontrollen begrüßt. Einige Berufspendler schimpfen zwar auch darüber wegen der manchmal längeren Wartezeiten. Aber kontrolliert werden ohnehin meist nur Migranten.“ Inzwischen habe sich die Lage an den Hauptgrenzübergängen beruhigt. „Es gibt aber Gerüchte darüber, daß illegale Einreisen über die weniger befahrenen Übergänge zugenommen haben.“ Die Polizisten treten locker und freundlich auf. 

Einer von ihnen gibt uns Auskunft. „Es ist ruhiger geworden. Wer illegal nach Dänemark will, weiß ja inzwischen, daß wir hier stehen.“ Daß Migranten jetzt andere Wege ins Land suchen, sei zwar nicht auszuschließen. „Mein ganz persönlicher Eindruck ist aber, daß es aufgrund der verschärften Maßnahmen unserer Regierung Dänemark für Migranten unattraktiver geworden ist.“

 Die dänische Regierung hatte die Kontrollen zunächst bis Mai dieses Jahres verlängert. Die EU-Kommission gab jedoch bereits zu verstehen, daß sie Grenzkontrollen nun auch akzeptiere, wenn sie über den Zeitraum von zwei Jahren hinausreichten. Die Bedingung dafür sei jedoch, daß dies dann nicht mit der Zuwanderungskrise, sondern mit der Abwehr von Terrorismus begründet werden muß.