© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/18 / 19. Januar 2018

„Antisemitismus hat hier keinen Platz“
AfD II: Nach dem Schiedsgerichtsurteil in Sachen Wolfgang Gedeon bemüht sich die Partei um Schadensbegrenzung
Christian Vollradt

Der fraktionslose baden-württembergische Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon kann aller Voraussicht nach Mitglied der AfD bleiben. Bereits im Dezember hatte das Landesschiedsgericht das Parteiausschlußverfahren gegen ihn zu seinen Gunsten entschieden. Kommenden Dienstag läuft die Frist ab, bis zu der beim Bundesschiedsgericht ein Antrag auf Überprüfung des Urteils gestellt werden kann. Dies haben jedoch weder der Antragsteller, der Landesvorstand Baden-Württemberg noch die Spitze der Bundespartei vor. „Die Causa Gedeon steht nicht auf der Tagesordnung des Bundesvorstands. Viel entscheidender ist für den Bundesvorstand der Umstand, daß Herr Gedeon in der AfD überhaupt keine Rolle mehr spielt“, teilte Pressesprecher Christian Lüth auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT mit. 

„Das Urteil ist kein Freispruch“

Der Nicht-Parteiausschluß bedeute lange nicht, daß die Positionen Gedeons „zum anerkannten Meinungsspektrum der Partei gehören“, stellte der Co-Vorsitzende der AfD Baden-Württemberg, Marc Jongen, gegenüber der JF klar. „Die Entscheidung des Landesschiedsgerichts, das Verfahren wegen formaler Mängel im Antrag einzustellen, ist aufgrund der Sachlage wohl juristisch gerechtfertigt. Ich bedaure es aber sehr, daß keine inhaltliche Entscheidung getroffen worden ist. Dies gibt Herrn Gedeon Gelegenheit, das Urteil als einen ‘Freispruch’ für sich darzustellen, was nicht zutrifft“, betonte Jongen. Man müsse zur Kenntnis nehmen, daß das deutsche Parteienrecht die Hürden für einen Parteiausschluß sehr hoch ansetze. Für den Landesvorstand sei das juristische Verfahren damit abgeschlossen.

Tatsächlich beruht die Entscheidung der Parteirichter auf formalen Argumenten. Und die sind wenig schmeichelhaft für den Landesvorstand als Antragsteller. So hatte das Gericht mehrfach angemahnt, daß alle Sprecher der Partei den Antrag unterschreiben müssen; der Aufforderung, die fehlenden Unterschriften nachzuliefern, kam der Vorstand nicht nach. Auch blieb man mehrfach angemahnte Beweise, gegen welche Grundsätze der Partei Gedeon verstoßen habe, schuldig. Die Argumente eines Gutachtens des Politikwissenschaftlers Werner Patzelt, das Gedeon-Äußerungen – wie beispielsweise: „...das ist die freimaurerisch-zionistische Strategie, wie wir schon in den so sehr angefeindeten Protokollen der Weisen von Zion nachlesen können“ – als antisemitisch bestätigt hatte, reichte den Juristen offensichtlich nicht aus. 

Der Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier, der zeitweilig als damaliges Mitglied des AfD-Landesvorstands mit dem Verfahren betraut worden war, wies indes Kritik an seiner Arbeit zurück: „Ein komplizierter Fall Gedeon, für den mehrere Bücher auszuwerten waren, läßt sich nicht in wenigen Wochen lösen und juristisch umsetzen, zumal diese Umsetzung zuvor bei meinen Vorgängern in der Sache beanstandet wurde“, teilte er der JF mit. Er sei zudem wenige Wochen später aufgrund der Neuwahlen aus dem Vorstand ausgeschieden. Die im Urteil dokumentierten Aufforderungen des Schiedsgerichtspräsidenten, endlich den Antrag nachzubessern, umfassen die Häfte der Urteilsschrift. Am Ende lautete dann die Entscheidung: Weil der Antragsteller nicht nachbesserte, galt der Antrag auf Gedeons Parteiausschluß „als zurückgenommen“.

Baden-Württembergs Parteichef Jongen bleibt bei seiner Meinung, daß der Fall Gedeon nicht primär einer juristischen, sondern einer politischen Lösung bedürfe. „Das heißt, auch wenn Herr Gedeon nicht aus der Partei ausgeschlossen werden kann, so muß doch klargemacht werden, daß die Positionen, wegen derer das Verfahren angestrengt wurde, in der AfD nicht willkommen sind.“ Wichtig sei, zu begreifen, daß für einen Parteiausschluß eindeutige Beweise der Parteischädigung hätten vorliegen müssen. Diese sah das Schiedsgericht offensichtlich nicht vorliegen, obwohl der Antrag des Vorstands laut Jongen „eine Fülle von Aussagen Gedeons von eindeutiger Tendenz“ enthielt. Er vermute jedoch, daß aufgrund der formalen Hürden auch zusätzliche Eingaben des Parteivorstands im Verfahren nicht zu einem Ausschluß geführt hätten. Schließlich sei es auch der SPD nicht möglich gewesen, „Herrn Sarrazin auszuschließen, obwohl er in vielfacher Hinsicht konträr zu deren Parteiprogramm steht“, stellte der AfD-Bundestagsabgeordnete fest. Das Wichtigste sei indes klarzustellen, daß „Antisemitismus nach diesem Urteil genausowenig einen Platz in der AfD hat wie vorher“.

Auch der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen, den die Affäre damals in schwere Bedrängnis gebracht hatte, betonte im Gespräch mit der JF, Gedeon könne zwar „einfaches Mitglied“ in der Partei bleiben, dürfe jedoch auf keinen Fall wieder eine herausragende Funktion übernehmen. Er sei zudem sicher, so Meuthen, daß es in der Stuttgarter Landtagsfraktion nicht die notwendige Mehrheit für einen Wiederaufnahmeantrag Gedeons geben werde.

Wie die JF erfuhr, wurde das Thema auf einer Klausurtagung der Landtagsfraktion kontrovers und teilweise lautstark debattiert. Nach Einschätzung von Insidern lehnen mindestens fünf bis sechs Abgeordnete eine möglicherweise beantragte Wiederaufnahme Gedeons auf jeden Fall ab. Damit wäre das nötige Quorum verfehlt. Ob er denn überhaupt die Absicht habe, einen Wiederaufnahmeantrag in die AfD-Landtagsfraktion zu stellen, wollte Wolfgang Gedeon am Dienstag auf Anfrage der jungen freiheit nicht beantworten.