© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/18 / 12. Januar 2018

Der Flaneur
Mißglückter Ausstieg
Paul Leonhard

Es ist einige Wochen her, da quäkte vor dem Haus eine Autohupe und kurz darauf klingelte es an der Tür: Unten Ludwig und hinter ihm ein Wohnmobil Marke Eigenbau. Freudig winkte er: „Es geht los.“

Er hatte es also wahr gemacht. Seit ungefähr anderthalb Jahren trägt sich Ludwig mit dem Gedanken, auszusteigen. Da hatte er gerade den endgültigen Bescheid über seine EU-Rente erhalten. Dahinter verbirgt sich nicht, wie ich anfangs glaubte, eine monatliche Zahlung aus einem Programm der Europäischen Union, sondern die behördlich bescheinigte Erwerbsunfähigkeit.

Ein unvorhergesehenes Ereignis und schon bricht das neue Selbstbewußtsein zusammen.

Zuvor war Ludwig Geschäftsführer mehrerer GmbHs gewesen. Der Mittfünfziger war immer motiviert und dazu hilfsbereit, einfach zu nett für den Job. Ein Mitarbeiter mobbte ihn. Dazu hatte er Pech mit Frauen. Er lebte allein in einem von ihm für eine Zukunft mit Frau und Kindern gebauten Einfamilienhaus. Am Ende stand der nervliche Zusammenbruch. Der Arzt attestierte Burn-out. Ludwig verschwand für Monate in seinem Haus. Vor einem Jahr tauchte er wieder auf und erzählte von seinem Traum: Das Haus wollte er vermieten und mit einem Wohnwagen durch Deutschland ziehen, auf der Suche nach Projekten, wo er helfen könnte. Fast schien er mir ganz der alte. Bis er bei einer gemeinsamen Autofahrt geblitzt wurde. Der Ausflug war im Eimer. Ich registrierte, wie labil der Mann innerlich ist: Ein kleines, unvorhergesehenes Ereignis und schon bricht das neu gewonnene Selbstbewußtsein zusammen.

Deswegen freute ich mich, als er mir den Wohnwagen vorführte. Ich versprach, ihn auf dem Dauercamperparkplatz bei Hamburg zu besuchen, den er sich für seinen ersten Winter ausgesucht hatte. Als ich jetzt das Versprechen einlösen wollte und ihn anrief, wirkte er zufrieden. Nein, er sei noch nicht losgefahren. Er wohne jetzt bei seiner Mutter. Es gebe noch Probleme mit dem Wohnwagen: Es regne rein.