© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/18 / 12. Januar 2018

Gegen den Zeitgeist
Am Wochenende feiert das Magazin „Eigentümlich frei“ seinen 20. Geburtstag
Ronald Gläser

Am Freitag wird André F. Lichtschlag die Konferenz seines Verlages auf Usedom eröffnen. „20 Jahre hintereinander jährliches Wachstum der Leser- und Abozahlen, wo gibt es das sonst? Jedenfalls ist es ein schöner Anlaß, auch einmal mit Freunden der Zeitschrift diesen Erfolg zu feiern“, freut sich der Gründer des Magazins.

Als Eigentümlich frei 1998 mit 70 Abonnenten startete, war Helmut Kohl noch Kanzler – und die Hefte wurden mit D-Mark bezahlt. Dahinter stand kein Verlag, sondern Lichtschlag und sein radikalliberaler Freundeskreis, der die ersten Hefte als eine Art „gedruckten Theoretiker-Stammtisch“ ansah. Über dieses Stadium ist das Magazin längst hinausgewachsen. Seit September sind es mehr als 4.000 Abonnenten.

Die Redaktion ist klein. Vier bis fünf Personen arbeiten in dem Düsseldorfer Verlag regelmäßig an dem Monatsheft. Um so wichtiger sind die etwa 100 regelmäßigen Autoren. Unter ihnen Bruno Bandulet, der seinen Deutschlandbrief vor Jahren in das Blatt überführt hat und es mit anderen Autoren wie dem FDP-Politiker Frank Schäffler zu einer starken eurokritischen Stimme formen konnte, die von Anfang an auf die Risiken und Fehlentwicklungen der Einheitswährung hingewiesen hat. Oder Carlos A. Gebauer, die faktische Nummer zwei bei Ef. Er ist in jedem Heft mit einem Aufsatz an prominenter Stelle vertreten (vorzugsweise über Gesundheitspolitik) und fungiert als Transporteur der Ideenschmiede, sei es als TV-Anwalt, Buchautor oder FDP-Kandidat. Er wird die Beiträge auf der Konferenz in Zinnowitz moderieren.

Das Leitmotiv der Zeitung ist klar: Der moderne Wohlfahrtsstaat bevormundet seine Bürger zu sehr und erreicht nicht selten das Gegenteil von dem, was er vorgibt zu wollen. Egal ob Rot-Grün, Schwarz-Rot oder Schwarz-Gelb. Immer neue Vorgaben von A wie Abwrackprämie bis Z wie Zertifizierungszwang entmündigen den Bürger und hebeln Marktgesetze aus. Letztlich zum Schaden aller.

Es gab zwei zentrale Ereignisse in der Geschichte des Heftes: 2003 verfaßte Lichtschlag einen Aufsatz über die notwendige Gründung einer neuen Partei, die dem Irrsinn des real existierenden Sozialismus begegnet. Der Tod Jürgen W. Möllemanns könne eine solche Partei, die sich konservativen wie liberalen Prinzipien verschreibe, ebenso befördern wie es der Tod Rudi Dutschkes bei den Grünen getan habe – so Lichtschlags These damals, die von vielen Lesern als Initialzündung angesehen wurde.

Großer Einfluß auf das Milieu von AfD und FDP

Zehn Jahre später war eine solche Partei da: die AfD. Ihr Erfolg und das gleichzeitige Scheitern der FDP, deren Prinzipienlosigkeit Lichtschlag fortwährend angeprangert hatte, waren auch auf das Wirken von Eigentümlich frei zurückzuführen. „Auf dem Gründungsparteitag der AfD in Berlin traf ich viele Leser, die mich ansprachen und meinten: Das hier ist auch Ihr Werk“, erinnert sich Lichtschlag.

Sicherlich ist das Heft zu unbedeutend, als daß es allein über Sieg und Niederlage bei einer Bundestagswahl entscheiden kann, aber der Einfluß in dem Milieu, aus dem sowohl FDP als auch die AfD ihre Unterstützung erhalten, ist groß. Und bei dem knappen Abschneiden 2013 könnte die Linie des Blattes den Ausgang entscheidend beeinflußt haben. Für Lichtschlag war der Wahlabend insofern ein Erfolg. Besonders stolz ist er darauf, Ereignisse wie den Aufstieg der AfD und die Finanzkrisen der vergangenen Jahre korrekt vorausgesagt zu haben.

Vor kurzem ist der Redaktion ein Scoop gelungen: In der August-Ausgabe veröffentlichte Ef den Insiderbericht eines Dolmetschers, der an Altersprüfungen unbegleiteter junger Flüchtlinge beteiligt ist. Er schilderte den haarsträubenden Alltag in der Integrationsindustrie. Der aktuellen Debatte über diese Frage nach dem Mord von Kandel war die Redaktion damit um Monate voraus.

Es gab auch Rückschläge. Am stärksten ärgert sich Lichtschlag über die Verunglimpfung bei Wikipedia: „Nach der Manipulation auf Wikipedia mußte ich erst lernen, daß Denunziation kein Mißverständnis, sondern Absicht ist. Wenn man das wirklich verstanden hat, ist man nicht mehr so naiv wie vorher.“

Das ist ärgerlich für das Ansehen des Verlags – gleichzeitig aber Geschäftsgrundlage. Solange der Wikipedia-konforme Zeitgeist ist, wie er ist, sind unabhängige Zeitschriften wie Eigentümlich frei um so stärker gefragt. „Unserem Wachstum hat es jedenfalls nicht geschadet“, erklärt Lichtschlag.






Ronald Gläser ist Journalist und sitzt für die AfD im Berliner Abgeordnetenhaus