© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/18 / 12. Januar 2018

Bannon schlägt sich selbst k.o.
„Fire and Fury“: Ein Enthüllungsbuch des Journalisten Michael Wolff rechnet mit der Trump-Regierung ab und stellt den Geisteszustand des Präsidenten in Frage
Thorsten Brückner

Die Auszeichnung zum Mitarbeiter des Monats im Verlagshaus Henry Holt dürfte im Januar an keinen anderen als den Präsidenten der Vereinigten Staaten gehen. Mit seinem Bestreben, das Erscheinen des ihm wenig wohlgesonnenen Enthüllungsbuches „Fire and Fury“ zu verhindern, hat Donald Trump dessen Verkauf erst so richtig angekurbelt.

In den meisten Buchhandlungen und auf Amazon ist das Werk des Journalisten Michael Wolff bereits ausverkauft. Zuvor hatte der Verlag das Erscheinen um mehrere Tage vorgezogen. Seit vergangenen Freitag können sich die Amerikaner nun ein Bild über die ersten Monate der Trump-Präsidentschaft machen. Zumindest aus der Sicht von Wolff, der im Vorwort zum Buch freimütig zugibt, das Durcheinander der ersten Monate der Administration ausgenutzt und seit dem 20. Januar 2017, dem Tag der Amtseinführung, einen „semipermanenten Couchplatz“ im Westflügel des Weißen Hauses eingenommen zu haben. 

Für die Trump-Administration ist das Buch toxisch. Es zeichnet das Bild einer planlosen Regierung im Chaos mit einem Mann an der Spitze, über den die damalige Vize-Stabschefin Katie Walsh sagte, mit ihm zu arbeiten sei wie „herauszufinden, was ein Kind will“. In der Tat wirft das Buch Fragen nach dem Geisteszustand des Präsidenten auf. So lebe der Bewohner von Hausnummer 1600, Pennsylvania Avenue, in ständiger Angst, vergiftet zu werden, weswegen er dem Reinigungspersonal im Weißen Haus verbiete, irgend etwas zu berühren – besonders seine Zahnbürste. Auch sei es seine Gewohnheit gewesen, immer bei McDonalds zu essen, weil die Speisen dort bereits vorher zubereitet werden.

Ein weiterer Vorwurf: Der Präsident habe eine ernsthafte Leseschwäche und sei intellektuell nur in der Lage, Schlagzeilen und einfache Texte zu begreifen. „Er ist nicht nur verrückt, er ist dumm“, zitiert Wolff Trump-Intimus Tom Barrack. Trumps Ex-Chefstratege Steve Bannon nennt ihn einen „großen, warmherzigen Affen“. Der ökonomische Chefberater Gary Cohn sieht in Trump „einen Idioten, der von Clowns umgeben ist“. 

Wie Wolff in Fernsehinterviews nach der Veröffentlichung zum besten gab, sei unter Trumps Personal der 25. Verfassungszusatz der ständige „Elefant im Raum“. Dabei handelt es sich um einen Artikel, der unter anderem die Möglichkeit eröffnet, den Präsidenten abzusetzen, wenn sich dieser nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte befindet. Diesen Eindruck versuchte Trump umgehend auf seinem Lieblingsmedium Twitter auszumerzen. Er sei ein „stabiles Genie“ betonte der Präsident und „wirklich intelligent“. Kritik an Trumps Strategie im Umgang mit dem Buch – sofern man denn von einer Strategie sprechen kann – kam von früheren hochrangigen Regierungsmitarbeitern. Allen voran von Barack Obamas Ex-Berater David Axelrod. „In einer normalen Präsidentschaft rät man dem Präsidenten, wenn so ein Buch rauskommt, sich öffentlich gar nicht dazu zu äußern“, sagte Axelrod dem Sender CNN. „Und in einer normalen Präsidentschaft würde man dem Präsidenten abraten, seine eigene mentale Verfassung zum Thema zu machen“, ergänzte er. 

Zweifel an Wolffs Glaubwürdigkeit

Ähnliche Worte benutzte der frühere Berater von George W. Bush, Mark McKinnon, der sich zudem schockiert darüber zeigte, wie man Wolff überhaupt ins Weiße Haus lassen konnte. „Karl Rove oder Rahm Emanuel hätten den Kerl innerhalb von fünf Minuten rausgeworfen“, unterstrich McKinnon mit Verweis auf die Stabschefs von Bush und Obama. Zumal Trump hätte gewarnt sein müssen. Das Buch, das Wolff über Fox-News-Mogul Rupert Murdoch schrieb, ließ diesen in keinem guten Licht erscheinen. Den früheren Mehrheitsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, Tom DeLay, ruinierte Wolff mit einem Artikel, der laut DeLay „voll von Lügen“ gewesen sei.

Über Wolffs professionelle Standards diskutiert derzeit das politische Amerika. Zahlreiche Journalistenkollegen stellten seine Glaubwürdigkeit in Frage. „Ich frage mich, wie viele Zitate ihm Mitarbeiter des Weißen Hauses im Vertrauen gegeben haben, die er dann im Buch benutzt hat“, spekulierte Bloomberg-Kolumnist Joe Nocera auf Twitter. Wolff habe eine Reputation, Quellen zu verbrennen. Mit Steve Rattner stellte sich selbst ein früherer Mitarbeiter der Obama-Administration auf die Seite Trumps. „Steve Bannon mag all das gesagt haben, aber laßt uns immer daran denken, daß Wolff ein prinzipienloser Schreiber von Fiction ist.“ Selbst Demokraten-Strategen wie Fox-News-Analystin Marie Harf räumen ein, daß das Buch journalistische Mängel aufweist. Trump-Biograph Michael D’Antonio bemängelte, viele von Wolffs Schilderungen seien spekulativ und in Boulevardprosa geschrieben. Dennoch stimme er mit dem Tenor überein. Wolff selbst gab zu, Gespräche, die er mit Trump geführt hat, nicht als offizielle Interviews kenntlich gemacht zu haben. 

Gerade die O-Töne von Bannon haben im Weißen Haus für die größte Aufregung gesorgt. Ivanka Trump nannte Bannon demnach „dumm wie ein Ziegelstein“. Über ein Treffen von Trumps Sohn, Donald junior, Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und dem damaligen Wahlkampfleiter Paul Manafort mit der russischen Anwältin Natalia Veselnitskaya – die im Verdacht steht, eine russische Agentin zu sein – sagte Bannon: „Auch wenn man nicht denkt, daß es verräterisch oder unpatriotisch oder einfach scheiße war – und ich denke, daß es das alles war –, hätte sofort jemand das FBI rufen müssen.“ Trumps Reaktion auf die Worte seines geschaßten Ex-Strategen zeigen, wie sehr in Sachen Rußland-Verstrickungen die Nerven bei der Administration blank liegen. Trump sieht sich Nachforschungen von Sonderermittler Robert Mueller ausgesetzt, der mögliche Verbindungen des Trump-Clans mit Vertretern der russischen Regierung im Vorfeld der Wahl untersuchen soll. Bannon habe „nichts mit mir oder meiner Präsidentschaft“ zu tun gehabt, so Trump in einer Erklärung. „Als er gefeuert wurde, hat er nicht nur seinen Job verloren, sondern auch seinen Verstand.“ Zudem habe der jetzige Breitbart-Chef laut Trump geweint und um seinen Job gebettelt. Bannon zufolge, der seine Zitate relativierte, aber nicht dementierte, geht die größte Gefahr für Trumps Präsidentschaft aber nicht von möglichen Rußland-Kontakten, sondern von finanziellen Unregelmäßigkeiten aus. „Ihr Weg, Trump zu ficken, geht direkt über Paul Manafort, Donald junior und Jared Kushner. Er geht von der Deutschen Bank zu all der Kushner-Scheiße“, diktierte Bannon Wolff zu den Ermittlungen des Mueller-Teams in den Block. Das Wespennest, in das der um klare Worte nie verlegene Bannon diesmal gegriffen hat, könnte für ihn mehr als nur ein paar Stiche zur Folge haben. Die größte Geldgeberin von Breitbart, Rebekah Mercer, distanzierte sich von ihm. Besonders pikant: Es war seine enge Verbündete Mercer, die Bannon den Job in Trumps Wahlkampfteam verschafft hatte. Bannon muß gespürt haben, daß er diesmal zu weit gegangen ist. Zusammen mit der teilweisen Korrektur seines Zitats – seine Kritik habe sich nur auf Manafort bezogen, nicht auf Kushner und Don junior – erfolgte eine Entschuldigung. Er halte den Präsidenten nach wie vor für einen großartigen Mann, den er selbstverständlich weiterhin unterstütze. Geordneter Rückzug eines Mannes, für den die bedingungslose Offensive Lebensmotto ist.

Trump-Lager spricht von „Boulevardklatsch“

Die Bannon-Zitate stehen nicht nur wegen der pikierten Reaktion des Präsidenten und des Entschuldigungsdramas um den 64jährigen im Fokus. Das hat auch damit zu tun, daß der Rest des Buches eine Ansammlung von vagen atmosphärischen Eindrücken ohne neuen Erkenntnisgewinn, persönlichen Bewertungen des Autors und klar falsifizierbaren Darstellungen ist. Zu diesen gehört die Behauptung Wolffs, Trump habe nichts mit dem Namen des früheren Sprechers des Repräsentantenhauses, John Boehner, anfangen können. Bilder belegen aber, wie Trump 2013 zusammen mit Boehner Golf spielte.Auch dem Vorwurf, Trump habe die Präsidentschaft nie wirklich gewollt und sie lediglich als Sprungbrett für neue Geschäftsinitiativen nutzen wollen, trat man aus dem Trump-Umfeld ebenso entgegen wie der angeblichen Beobachtung, Trumps Frau Melania habe am Wahlabend „geweint – und nicht aus Freude“. Für Trumps früheren Wahlkampfchef Corey Lewandowski „Boulevardklatsch“. Kaum thematisiert wurde von den Journalisten hingegen eine Passage des Buches, in der Trump beschuldigt wird, sich an die Ehefrauen seiner Freunde herangemacht zu haben. Ein Sexskandal um den gealterten Playboy ist den Nachrichtenredaktionen zwischen New York und Los Angeles mittlerweile offenbar kaum noch eine Zeile wert. 

Michael Wolff: Fire and Fury – Inside the Trump White House., Henry Holt and Company, New York 2018, gebunden, 336 Seiten, 17,99 Euro

Berater zu Ex-Stabschef Reince Priebus über Trump:  „In einem einstündigen Treffen mit ihm erzählt er dir 54 Minuten Geschichten, und er erzählt dieselben Geschichten immer wieder. Du kannst nur eine einzige Sache sagen und mußt sie ein-bringen, wann immer du kannst.“

Trump über Bannon: „Er sieht aus wie ein Obdachloser (...) Dusch mal wieder, Steve! (...) Du trägst diese Hosen jetzt schon seit sechs Tagen. (...) Er sagt, er habe viel Geld verdient, aber ich glaub ihm das nicht.“

Trump zu Freunden am Telefon :„Genießt du noch den Sex mit deiner Frau? Wie oft? Du mußt schon einen besseren Fick gehabt haben als deine Frau. Erzähl mir davon. Um drei Uhr kommen Mädchen aus Los Angeles. Wir können nach oben gehen und eine prima Zeit haben.“

Die ehemalige stellvertretende Stabschefin unter Trump, Katie Walsh: Der Präsident will immer gemocht werden. Er braucht es so dringend, gemocht zu werden ... alles ist für ihn ein Kampf.“

Trumps ökonomischer Berater Gary Cohn:  „Es ist schlimmer als man es sich vorstellen kann. Ein Idiot umgeben von Clowns. Trump liest nichts, nicht mal einseitige Texte, nichts. Er steht in der Mitte eines Treffens mit ausländischen Staatschefs auf, weil es ihn langweilt. Und seine Mitarbeiter sind keinen Deut besser.“

Der ehemalige Fox-News-Chef Roger Ailes zu Trump:  „Du brauchst einen Hurensohn als Stabschef. Und du brauchst einen Hurensohn, der Washington kennt. Ich weiß, du willst dein eigener Hurensohn sein, aber du kennst Washington nicht.“