© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/18 / 12. Januar 2018

Streitlust an der Leine
Vor dem Parteitag: Der niedersächsischen AfD steht ein turbulentes Wochenende bevor / Wechselseitige Abwahlanträge im zerstrittenen Landesvorstand
Christian Vollradt

Der Ausgang sei völlig offen, meinen mehrere Mitglieder der niedersächsischen AfD übereinstimmend, wenn man sie auf den Landesparteitag am kommenden Wochenende in Hannover anspricht. Immerhin: er wird stattfinden. Und zwar an einem Ort. Das zu betonen mag seltsam klingen; aber so selbstverständlich ist es in diesem zerstrittenen Verband keineswegs. Denn zeitweilig kursierten zwei unterschiedliche Einladungen zu zwei unterschiedlichen Parteitagen an einem Tag – aber zwei unterschiedlichen Orten. Nun ist es bei zwei verschiedenen Tagesordnungen geblieben – soviel Einigkeit war dann doch nicht im Vorfeld herstellbar. 

Bereits im Oktober vergangenen Jahres hatten nach Parteiangaben zwanzig Kreisverbände die Einberufung eines außerordentlichen Parteitags zur Abwahl des bisherigen und Wahl eines neuen Landesvorstands beschlossen. Damit war das in der Satzung festgelegte Quorum von zehn Kreisverbänden locker erreicht worden und der Beschluß „unverzüglich“ umzusetzen. Im Fokus der Kritiker stand dabei Landeschef Armin-Paul Hampel (JF 43/17). Ihm lasten sie die chaotischen Zustände im Landesverband an (26/17), sie werfen ihm fehlende Loyalität insbesondere gegenüber der Spitzenkandidatin im Landtagswahlkampf, Dana Guth an. Zudem werde der Vorsitzende sogar von seinen bisherigen Fürsprechern im Bundesvorstand, Alexander Gauland und Jörg Meuthen, nicht mehr unterstützt.

Hampels Gegner wollten diesen Parteitag bereits Ende November über die Bühne bringen, doch das wäre nicht zuletzt wegen des Bundesparteitags Anfang Dezember in Hannover zu eng geworden. So wurde aus dem „unverzüglich“ der Termin Mitte Januar. 

Die daraufhin von den Hampel-Kontrahenten im Vorstand – namentlich die Vizes Jörn König, Wilhelm von Gottberg und Oliver Westphal – versandte Einladung war in den Augen des Hampel-Lagers „nicht autorisiert“. Folge war die Ladung zu einem konkurrierenden Parteitag nach Gieboldehausen. Der wurde spätestens durch die Kündigung des dortigen Veranstaltungslokals hinfällig. 

Für die Abwahl Hampels müßten mindestens zwei Drittel der anwesenden Mitglieder stimmen.  Daß es diese Mehrheit am Wochenende geben wird, gilt als eher unwahrscheinlich. Noch zweifelhafter dürfte die entsprechende qualifizierte Mehrheit für die ebenfalls vorliegenden Abwahlanträge gegen die Hampel-Gegner im Vorstand sein. Sie seien zudem nicht fristgerecht eingereicht worden, heißt es bei deren Unterstützern. 

Mindestens zwei Vorstandsposten müssen wegen Rücktritten ohnehin neu besetzt werden. Außerdem sind zwei weitere Vorstände mittlerweile Angestellte des Bundestagsabgeordneten Hampel; damit könnte – je nach Lesart der Satzung – eine weitere Zugehörigkeit ausgeschlossen sein. Möglich und nicht ganz unwahrscheinlich also, daß Hampel auch nach dem Parteitag an der Spitze des Landesvorstands steht, das gegnerische Lager jedoch die Mehrheit in dem Gremium stellt. Auf einer eigens eingerichteten Internetseite der Hampel-Kritiker werden mit Blick auf den eloquenten Ex-Fernsehmacher die Parteimitglieder aufgefordert, nicht nur auf „schwungvolles Auftreten und rhetorisches Talent“ zu achten, sondern die Vorstandsarbeit der vergangenen Monate und Jahre zu betrachten. Dabei sei zu fragen, „wie erfolgreich ein Landesvorsitzender ist, der – anstatt seiner integrierenden Aufgabe nachzukommen – von Monat zu Monat mehr Kreisverbände gegen sich aufgebracht“ habe. 

Dagegen beklagt ein Appell für den Verbleib des amtierenden Vorsitzenden auf der offiziellen Homepage des Landesverbands, mit Hampel werde „der einzige national bekannte niedersächsische AfD-Politiker mit Format“ angegriffen und demontiert, damit irgendwelche farblosen Hinterbänkler seinen Platz einnehmen“. Diese seien die „nützlichen Idioten“ des politischen Gegners. Verfasser ist Uwe Wappler, Beisitzer im Landesvorstand – und Angestellter des Bundestagsabgeordneten Armin-Paul Hampel.