© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/18 / 12. Januar 2018

Weder Merkel noch Trittin
Dreikönigstreffen: Die FDP präsentiert sich so geeint wie lange nicht / Innerparteiliche Kritik am Jamaika-Aus sei „Fake News“
Hinrich Rohbohm

Es war nur eine kurze Bemerkung, doch die saß. Leicht gebeugt steht Christian Lindner auf dem Podium. Das Scheinwerferlicht der Stuttgarter Oper hüllt ihn in ein verzerrtes, schemenhaftes Hellgrau. Dabei hat der FDP-Bundesvorsitzende durchaus Farbe im Gesicht, als er am vergangenen Samstag auf dem Dreikönigstreffen der Liberalen mit seiner Rede beginnt. Gespannt blicken die Augen seiner Zuhörer auf ihn. Neugierig darauf, wie er auf die Kritik, die auch aus den eigenen Reihen in den vergangenen Tagen laut geworden war, reagieren würde. 

„Nicht ins Fahrwasser      der Grünen geraten“

Gerhart Baum und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vom linken Flügel hatten in der Süddeutschen Zeitung ihren Unmut darüber zum Ausdruck gebracht, daß die Liberalen aus den Sondierungsgesprächen für eine Jamaika-Koalition ausgestiegen waren. Schließlich hatten sich neben zahlreichen Medienvertretern gerade die Linksliberalen der FDP ähnlich wie so mancher in der CDU-Führung an den Träumereien über ein grün-alternativ dominiertes Dreierbündnis mit Katrin-Göring-Eckardt, Claudia Roth und Co. berauscht.

Doch mit seiner Rede sorgt Lindner bei ihnen schnell für Ernüchterung. Gleich zu Beginn setzt der 39jährige einen Seitenhieb gegen Leutheusser-Schnarrenberger, als er an die Zeiten der Liberalen vor acht Jahren erinnert. „Damals hatten wir trotz Regierungsbeteiligung bei drei Prozent gelegen“, erzählt er. Und ruft genüßlich-ironisch in Erinnerung, daß seinerzeit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ihre „verdienstvolle Arbeit“ als Justizministerin verrichtet hatte. 

Während der Sondierungsgespräche sei nicht Çem Özdemir, sondern Jürgen Trittin der eigentliche Verhandlungsführer der Grünen gewesen, dessen linksradikale Vorstellungen in einen Koalitionsvertrag maßgeblich mit eingeflossen wären. „Als Liberale dürfen wir einer solchen Haltung nicht zur Macht verhelfen“, ruft Christian Lindner unter dem Jubel und rhythmischen Beifall seiner Zuhörer. Spätestens jetzt wird klar: Die angeblich so starke innerparteiliche Kritik an der FDP-Spitze aufgrund des Abbruchs der Jamaika-Gespräche entlarvt sich als Kampagne einiger Medien. Eine, die namentlich jedoch nur mit den Polit-Rentnern Baum und Leutheusser-Schnarrenberger als Kritiker aufwarten konnte. 

„Das war ein ziemlich durchsichtiges Manöver von der Presse, um die FDP wieder auf Jamaika-Kurs zu bringen“,  mutmaßt einer der Zuhörer bereits bei der Einlaßkontrolle zum Opernsaal. Den Abbruch der Gespräche hält er für vollkommen richtig. „Wir dürfen uns nicht ins Fahrwasser der Grünen drängen lassen. Unser Land braucht Erneuerung und wieder mehr Freiheit und Marktwirtschaft statt Ideologie.“ Genau das sei aber mit Merkels „Weiter so-Politik“ und dem „Verbotswahn“ der Öko-Partei nicht hinzubekommen. 

Ähnliche Töne schlagen einen Tag zuvor auch die Delegierten des baden-württembergischen FDP-Landesparteitags an. „Wäre Friedrich Merz Bundeskanzler wäre ich sofort für eine Koalition“, sagt ein schwäbischer Kreisvorsitzender der JUNGEN FREIHEIT.  Auch beim liberalen Mittelstand sieht man vor allem Angela Merkel als Koalitionshindernis. „Sie hat die CDU sozialdemokratisiert und in Teilen sogar zu einer grünen Partei umgeformt. Mit einer neuen Führungsspitze ließe sich wahrscheinlich eher Einigkeit erzielen“, meint eine Unternehmerin dort.

Bei den Jungen Liberalen hingegen könnte man sich Jamaika unter bestimmten Umständen auch mit Merkel vorstellen. „Es kommt auf die Inhalte an. Wenn eine Erneuerung der Gesellschaft mit den Grünen und mit Merkel möglich sein sollte, warum nicht? Allerdings kann ich da momentan überhaupt keine Reformbereitschaft erkennen“, erklärt eine Juli-Funktionärin. 

Ihr FDP-Landesvorsitzender Michael Theurer sieht diese Bereitschaft erst recht nicht. Die CDU habe das Erbe Ludwig Erhards verraten. „Wann beginnt die CDU endlich zu kämpfen?“ fragt er sich. Und: „Die CDU soll endlich mal sagen, was sie will.“ Während der Sondierungsgespräche hätten sich Peter Altmaier und Claudia Roth schon in den Armen gelegen. „Wenn du merkst, daß du ein totes Pferd reitest, steig ab“, empfiehlt er. Auch Theurer bezeichnet die angebliche innerparteiliche Kritik am Abbruch der Sondierungsgespräche als „Fake News“.

Man wolle kein „Steigbügelhalter von Merkel und Trittin“ sein, unterstreicht auch der baden-württembergische FDP-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Rülke, der sein Bundesland als Warnung vor Jamaika-Koalitionen darstellt und es als „grün-schwarzes Absurdistan“ bezeichnet. „Seit sieben Jahren geht es hier mit der Bildungspolitik bergab.“ Kinder dürften nicht mehr ans Angeln herangeführt werden, weil man in der Landesregierung der Meinung sei, dies könne dazu führen, daß aus ihnen Gewalttäter würden. Der FDP gehe es nicht bloß ums Mitregieren, sondern um das Mitgestalten. 

Notfalls auch in einer Minderheitsregierung, wie FDP-Chef Lindner betont. Die aber sei „unbequem“. „Denn dann müßte Frau Merkel ins Parlament kommen und ihre Politik erst mal erklären. Dazu müßte sie aber erst mal eine Meinung haben.“ Auch vor einer Neuwahl fürchte sich seine Partei nicht, verkündet Lindner selbstbewußt.