© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/18 / 05. Januar 2018

„Power Snatches“
gegen den Winterspeck CrossFit kombiniert mehrere Sportarten und internationalisiert die Fitneßszene
Boris T. Kaiser

Nie sind Fitness-Studios so gut besucht wie im Januar eines jeden Jahres. Die guten Vorsätze sind noch frisch, der Weihnachtsspeck noch gut sichtbar und der silvesterkatergebeutelte Körper lechzt nach Revitalisierung. 2018 dürften viele einem neuen Trainingstrend folgen, den so mancher bisher nur als Attribut aus dem TinderProfil junger hipper Großstädter und solcher, die es gerne sein wollen, kennen wird. 

„CrossFit“ heißt das Zauberwort all jener, für die Körperertüchtigung nicht einfach nur eine simple Freizeitbeschäftigung oder gar nur ein notwendiges Übel ist, sondern ein entscheidend zur Selbstdefinition beitragendes Lebensgefühl. CrossFit ist kein schnödes Zirkeltraining, auch wenn es genauso aussieht und viele Übungen nahezu die gleichen sind. Der Sport wurde in den nuller Jahren in den USA entwickelt und ist sowohl Trainingsmethode als auch Wettbewerbssport. Hierbei werden Krafttraining (mit und ohne Gewichte) verbunden mit Ausdauerübungen und Turnen. Gefördert werden sollen unter anderem: Kraft, Beweglichkeit, Koordination, Balance, Genauigkeit und Schnelligkeit. Den Kern bilden im bisherigen Fitneß-Hype lange Zeit vernachlässigte schwere Ganzkörperübungen aus dem olymischen Gewichtheben (Stoßen und Reißen).

Alle Übungen haben englische Namen

Mit dieser Kombination scheint CrossFit nicht nur perfekt geeignet zu sein, um müde Bürohengste wieder fit für die Welt abseits des Schreibtisches zu machen. Das Training wird auch als Teil des Fitneßprogramms bei verschiedenen Polizei-, Feuerwehr- und Militäreinheiten eingesetzt. So zum Beispiel bei den kanadischen Streitkräften und der Königlichen Leibgarde in Dänemark. Böse Zungen könnten jetzt behaupten, daß der professionalisierte Freizeitsport vielleicht ein wenig zu zeitaufwendig und ineffizient sein könnte für Einheiten, die nebenher noch ihr Land vor Terrorismus zu schützen oder gar den einen oder anderen Krieg zu führen haben. 

Die klassischen WODs („Workouts of the day“), die es gilt gegen die Uhr, in so vielen Runden wie möglich oder einfach nur des Durchhaltewillens zu erledigen, sind immerhin nach gefallenen US-Soldaten benannt. Dies wäre sicherlich auch ein guter Ansatz, um gefallene Bundeswehrsoldaten stärker ins Bewußtsein der sich mit aller Kraft der Realität entziehenden deutschen Mainstream-Öffentlichkeit zu rücken. Es bleibt allerdings zu befürchten, daß nicht einmal die Bundesverteidigungsministerin die Namen der für Deutschland gefallenen Soldaten kennt. 

Falls doch müßte vor jeder Benennung wohl erst einmal der komplette Lebenslauf des Gefallenen geprüft werden. Man kann ja schließlich kein Workout nach jemandem benennen, der irgendwann einmal Mitglied der „falschen“ Partei war, auf Facebook einen regierungskritischen Post gelikt oder gar verfaßt hat, oder, im Kreise seiner Kameraden, einen Witz auf Kosten der Frau Ministerin gemacht hat. 

Ganz ungefährlich ist CrossFit übrigens offenbar auch nicht. Ein Matrose der US-Navy, der während eines CrossFit-Workouts eine Verletzung erlitt und behauptete, CrossFit stelle ein erhöhtes Risiko dar, an Rhabdomyolyse (Zerfall von Muskelfasern) zu erkranken, verklagte erfolgreich seinen Trainer und erhielt daraufhin 300.000 US-Dollar Schadenersatz. Bei so einer Schadenersatzsumme dürften zumindest die Mitgliedsbeiträge für das CrossFit-Studio, im Fachjargon „Box“ genannt, wieder drin sein. 

Die minimalistisch mit Langhanteln, Klimmzugstangen und Kugelhanteln ausgestatteten Studios sind meist deutlich teurer als normale Fitneß-Center und kosten zwischen 100 und 150 Euro monatlich. Dafür wird allerdings auch in kleinen Gruppen unter Anleitung trainiert. Hip sein hatte eben schon immer seinen Preis. Vor allem wenn man dabei obendrein auch noch fit sein möchte. Einsteiger sollten zudem vor dem ersten Studio-Besuch ihre Englischkenntnisse auffrischen. 

Denn sämtliche Übungen tragen Namen wie: „Hip Extensions“, „Power Snatches“ oder „Ring Handstand Push-ups“. Wer seinen Trainer verstehen will, sollte also vor dem Gang in die „Box“ eventuell nochmal in der örtlichen Volkshochschule vorbeischauen. 

Vielleicht klappt es dann sogar mit einer Profikarriere. Der Markt ist mit eigenen Magazinen, TV-Übertagungen, Weltmeisterschaften („CrossFit Games“) und Sponsoren wie Reebok oder Rogue Fitness jedenfalls groß genug. Unter den Top-Athleten fehlen zudem bisher die Deutschen. Aus Europa ist es das kleine Island, das gleich mehrfach in den internationalen Ranglisten der „Fittest on Earth“ vertreten ist.

Für jemanden, der einfach nur seine Feiertagspfunde loswerden oder generell etwas fitter werden will, gibt es vermutlich einfachere und deutlich günstigere Wege. Aber wohl keine Angesagteren. Wie so oft gilt: Jeder wie er’s braucht.