© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/18 / 05. Januar 2018

Wie Kai aus der Kiste
„Stresemann“: Im Kokurrenzkampf um die AfD-nahe Stiftung mischt nun ein bisher weitgehend unbekannter Verein mit / „Machtspielchen im Hintergrund“
Christian Vollradt

Die unendliche Geschichte der Gründung einer AfD-nahen Stiftung ( JF 45/17) ist um ein neues Kapitel erweitert worden. Wurde das Thema auf dem Bundesparteitag Anfang Dezember noch vertagt, ploppte es vier Tage vor Heiligabend mit einer neuen Wendung hoch. Wie aus dem Nichts war ein neuer, bis dahin nie genannter Spieler auf dem Feld aufgetaucht: die Stresemann-Stiftung. 

Für den Partei- und Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland ist der Name des 1929 gestorbenen Reichskanzlers, Außenministers und Friedensnobelpreisträgers offenbar Favorit. Er würde die entsprechende Namensgebung „begrüßen“, zitierte ihn die FAZ, da Stresemann an das nationalliberale Erbe Deutschlands erinnere, dem sich die AfD verpflichtet sehe. Pikant: Seine Co-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel war eine Woche zuvor erst mit zahlreichen anderen Abgeordneten bei einer Veranstaltung der – konkurrierenden – Desiderius-Erasmus-Stiftung (mit Sitz in Lübeck) im Paul-Löbe-Haus des Bundestags – unter Leitung ihres Vorsitzenden, des AfD-Abgeordneten Peter Boehringer.

Es fällt auf, daß die Stresemann-Stiftung derzeit als eine reine „Hülle“ fungiert, die erst kürzlich von AfD-Leuten übernommen worden ist. Der bisherige Geschäftsführer des eingetragenen Vereins, Felix Strüning, meldete auf seiner Internetseite, er habe „alle seine Tätigkeiten für die Stresemann Stiftung e.V.“ niedergelegt, nachdem bei der Mitgliederversammlung am 24. November ein neuer Vorstand gewählt wurde, „der aus Funktionären der AfD besteht“. Den Stiftungsverein hatten 2011 Mitglieder der Partei „Die Freiheit“ gegründet, darunter die beiden Rechtsanwälte Philipp Wolfgang Beyer und Sascha Giller. Die Adresse ihrer gemeinsamen Kanzlei in Jena ist laut Impressum noch immer Sitz des Vereins.

Als Vorsitzender wird dort „Herr Groß“ angegeben – es ist der Anwalt und bayerische AfD-Politiker Rainer Groß. Damit steht an der Spitze des von Alexander Gauland favorisierten Vereins nun derselbe Mann, der im vergangenen Jahr AfD-Mitgründer Konrad Adam als Vorsitzenden des in Bonn registrierten Desiderius-Erasmus-Vereins ablöste; dieser Bonner Stiftungsverein wurde wiederum personenidentisch Anfang November als „Johann-Gottfried-Herder-Verein für Demokratie e.V.“ ins Register eingetragen. Vorsitzende sind neben Groß die beiden AfD-Bundestagsabgeordneten Götz Frömming und Marc Jongen. Damit verteilt sich allein die AfD-Bundestagsfraktion als derzeitiges Macht- und Kompetenzzentrum der Partei auf drei konkurrierende Projekte, von denen zwei von ein und derselben Person geführt werden. „Es ist zum Verrücktwerden“, meinte ein Parteifunktionär. Sicherlich keine Einzelmeinung. Andere sprechen von Machtspielchen im Hintergrund und einem hanebüchenen Eindruck, den man damit verbreite. 

„Ich arbeite an einer Konsenslösung“, bekräftigt dagegen Rainer Groß im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Egal, wie das Kind nun heißen werde, die Inhalte sind entscheidend. Auch wenn eine Stiftung als parteinah ausgewählt werde, sollten seiner Meinung nach ruhig alle anderen weiterbestehen können.

In der Lübecker Erasmus-Stiftung, die von vielen Beobachtern bisher als klarer Favorit eingeschätzt wurde, sieht Groß „eine Art Abspaltung“, die „ihr Eigenleben“ führe. Dies alles sei „leider nicht ganz einvernehmlich vonstatten gegangen. Und warum tauchte die Stresemann-Stiftung so plötzlich wie aus dem Nichts auf, obwohl er, Groß, doch bereits im Bonner Stiftungsverein engagiert sei? „Die spannendsten Dinge kündigt man nicht vorher an“, so seine Antwort. Der Medienhype sei schön, „er belebt das Interesse“. Die beiden Gründer, betont Groß, gehören der Stresemann-Stiftung nicht mehr an. Sie stellten seinen Angaben zufolge derzeit nur noch die formale Adresse des Vereins.  

Alexander Gauland gibt sich in der Sache ohnehin nach außen eher leidenschaftslos: „Mir geht es allein um den Namen Stresemann“, sagte er der jungen freiheit . Laut Informationen dieser Zeitung will der AfD-Bundesvorstand am 19. Januar über das Thema parteinahe Stiftung beraten und – möglicherweise  – auch entscheiden. Daß die unendliche Geschichte dann beendet wäre, halten Insider allerdings für eher unwahrscheinlich.