© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/18 / 05. Januar 2018

Grün statt oliv
Rüstungsbericht: Der Bundeswehr fehlt es an vielem, aber nicht an Elektroautos
Peter Möller

In der aktuellen Debatte über Dieselfahrzeuge und die Feinstaubbelastung in den deutschen Innenstädten hat die Bundeswehr schlechte Karten. Kein Wunder, steht doch etwa beim Kampfpanzer Leopard 2 die Umweltverträglichkeit nicht unbedingt im Vordergrund. Doch die Bundeswehr geht auch beim Antrieb ihrer Fahrzeuge mit der Zeit, wie aus dem in der vergangenen Woche veröffentlichten Rüstungsbericht des Verteidigungsministeriums hervorgeht. 

Dem 62 Seiten umfassenden Papier ist zu entnehmen, daß die Bundeswehr bereits rund 140 handelsübliche Fahrzeuge mit alternativem Antriebskonzept nutzt, beispielsweis Elektro- oder Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge. „Bis Ende 2018 soll dafür die Ladeinfrastruktur für insgesamt 200 Batterie-Elektro- und Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge geschaffen werden“, heißt es dazu in dem Bericht. 

In der Truppe, die seit Jahren mit veraltetem Gerät und Ersatzteilmangel kämpft, dürften derlei Erfolgsmeldungen aus dem Bendlerblock bestenfalls für Augenrollen sorgen. Doch daß die diesjährige Ausgabe des seit 2014 erstellten Rüstungsberichtes eher mit Kuriositäten statt mit handfesten Fakten glänzt, liegt nur teilweise an den Verantwortlichen im Verteidigungsministerium. Denn auch der Rüstungsbericht muß in diesem Jahr dem Umstand Rechnung tragen, daß Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nur mehr geschäftsführend im Amt ist. „Somit können für die Rüstungsprojekte notwendige Richtungsentscheidungen mit zukünftigen finanziellen Auswirkungen derzeit nicht getroffen werden, diese Finanzzahlen sind jedoch essentieller Bestandteil der Projektübersichten und -bewertungen“, heißt es dazu in dem Bericht. Daher verzichtet das im Vergleich zum Vorjahresbericht nur halb so umfangreiche Papier vollständig auf detaillierte Darstellungen zu den einzelnen Rüstungsprojekten. Statt über den aktuellen Stand bei der Entwicklung beziehungsweise Beschaffung neuer Waffensysteme informiert zu werden, erfährt der Leser in aller Ausführlichkeit, wie das in der Vergangenheit heftig kritisierte Rüstungswesen der Bundeswehr organisiert ist und welche Verbesserungen es auf diesem Gebiet nach Ansicht des Ministeriums in den vergangenen Jahren gegeben hat.

Keine Zeit mehr für Neuentwicklungen

Doch auch wenn sich das Verteidigungsministerium angesichts der andauernden politischen Hängepartie in Berlin in seinem Rüstungsbericht zugeknöpft gibt, zeigen zwei Beispiele aus den vergangenen Tagen, daß auf dem Gebiet der Rüstung ungeachtet der ausstehenden Regierungsbildung alles andere als Stillstand herrscht. So wurde Mitte Dezember bekannt, daß die für das kommende Jahrzehnt vorgesehene Beschaffung neuer schwerer Transporthubschrauber für die Bundeswehr in die entscheidende Phase geht. 

Da sich das Verteidigungsministerium von der Idee, einen komplett neuen Hubschrauber entwickeln zu lassen, unter anderem aus Zeitgründen verabschiedet hat, läuft dabei alles auf einen Zweikampf zwischen den amerikanischen Drehflügler-Herstellern Sikorsky und Boeing und ihren Modellen CH-53K und Chinook hinaus. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters hat Generalinspekteur Volker Wieker die Stückzahl der zu beschaffenden Hubschrauber nun auf 45 bis 60 Einheiten im Wert von rund vier Milliarden Euro festgelegt. Sie sollen die Sikorsky-Hubschrauber vom Typ CH-53 ersetzen, die bereits seit Jahrzehnten im Einsatz sind und spätestens 2030 ausgemustert werden müssen. Passend dazu meldete der Spiegel kurz vor Weihnachten, daß die Truppe zur Ausbildung ihres Pilotennachwuchses künftig auf zivile Hubschrauber des ADAC ausweichen muß. 

Auch beim Nachfolger des in die Jahre gekommenen Jagdbombers Tornado könnte es eine amerikanische Lösung geben. Bereits im Mai hatte sich die Luftwaffe beim Rüstungskonzern Lockheed Martin nach den Daten des neuen Mehrzweckkampfflugzeugs F-35 Lightning II erkundigt und damit öffentlich ihr Interesse bekundet. Das Argument der Luftwaffenführung, auf ein bereits fertig entwickeltes Flugzeug zurückgreifen zu wollen: Da der Nachfolger für den Tornado bereits Mitte des kommenden Jahrzehnts zur Verfügung stehen muß, bleibe keine Zeit mehr für eine Neuentwicklung. Hinzu kommen schlechte Erfahrungen, wie etwa die anhaltenden Probleme mit dem Militärtransporter A400M oder die jahrelange Verzögerung bei der Auslieferung des Eurofighters.

Beim europäischen Flugzeugbauer Airbus sorgten die Meldungen über das Interesse der Luftwaffe am amerikanischen Tarnkappenflieger für erhebliche Unruhe. Schließlich droht dem Unternehmen ein prestigeträchtiger Auftrag in Milliardenhöhe durch die Lappen zu gehen. Doch jetzt hat offenbar die zivile Spitze des Verteidigungsministeriums die Militärs zurückgepfiffen. Derzeit prüfe man unterschiedliche Optionen für die Ablösung des Tornados, heißt es laut Reuters in einem Schreiben von Staatssekretär Ralf Brauksiepe an die Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner. Primär gehe es dabei um eine Weiterentwicklung des Eurofighter, und lediglich sekundär um „drei US-amerikanische Muster“. Bei diesen handle es sich neben der F-35 um die F-15 und die F-18 von Boeing. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich den Druck vorzustellen, den Airbus hinter den Kulissen auf die Politik ausgeübt haben dürfte.