© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/17-01/18 22. Dezember / 29. Dezember 2017

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Alma mater Bundestag
Peter Möller

Mit dem Bundestag ist es wie mit einem Eisberg. In der Öffentlichkeit ist vom Parlament und den Abgeordneten zumeist nur ein kleiner Teil zu sehen. So nehmen die meisten Bürger abseits der Wahlen vom Bundestag vermutlich nur dann Notiz, wenn die Tagesschau über eine Debatte berichtet – oder sie bei einem Berlin-Besuch die Reichstagskuppel besichtigen.

Viele ahnen daher gar nicht, was dank ihrer Steuergelder in den zahlreichen Gebäuden rund um den Reichstag für ein Aufwand betrieben wird, um den Abgeordneten die Arbeit zu erleichtern und sie mit fundierten Informationen zu versorgen. Hierzu ist in den vergangenen Jahrzehnten ein Apparat gewachsen, der seinesgleichen sucht. Dazu gehört nicht zuletzt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages. Diese „Mini-Universität“ verfügt über zehn Fachbereiche, die von Geschichte und Wirtschaft über das Verfassungs- und Völkerrecht bis hin zu den Gebieten Haushalt und Finanzen oder Gesundheit das ganze Spektrum der politisch relevanten Themen abdecken und im Auftrag der Abgeordneten zu Themen ihrer Wahl wissenschaftliche Ausarbeitungen und Studien erstellen. Diese von Spezialisten erarbeiteten Papiere stehen dem Auftraggeber zunächst exklusiv zur Verfügung, werden später dann aber für jedermann im Internet zugänglich gemacht.

Daneben können die Abgeordneten auf eine der umfangreichsten Parlamentsbibliotheken der Welt zurückgreifen. Der Bestand aus 1,5 Millionen Büchern und anderen Medien wird von einem Heer von Experten betreut, die die Parlamentarier bei der Recherche unterstützen. Für ihre Arbeit können die Abgeordneten zudem stets auf die neuesten Daten aus Wirtschaft und Gesellschaft zurückgreifen. Hierzu unterhält das eigentlich in Wiesbaden beheimatete Statistische Bundesamt eigens ein Service-Büro in Berlin.

Doch Fakten alleine machen noch keine mitreißende Rede oder einen guten Gesetzentwurf. Die Gesellschaft für deutsche Sprache versucht daher bereits seit 1966 mit einem Redaktionsstab im Bundestag dazu beizutragen, daß die Berliner Politiker von den Bürgern auch verstanden werden. Die Initiative dazu ging vom damaligen Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmaier (CDU) aus. Die Fraktionen und die einzelnen Abgeordneten können die Dienste der Sprachexperten in Anspruch nehmen und ihre Texte auf Rechtschreibung, Zeichensetzung, Grammatik oder Satzbau überprüfen lassen. Aber auch Hinweise auf stilistische Feinheiten oder die richtige Anrede in Briefen geben die Sprachberater – ebenso wie neuerdings Hilfestellungen für „geschlechtergerechtes Formulieren“.

Die vielleicht wichtigste Einrichtung im Bundestag ist jedoch die Pressedokumentation. Sie stellt jeden Tag eine Auswahl der wichtigsten Presseartikel zusammen und sammelt zudem seit 1949 alle relevanten Zeitungsartikel. Auch dieser mehrere Millionen Ausschnitte umfassende Bestand steht den Abgeordneten und ihren Mitarbeitern für die Arbeit zur Verfügung. Denn jeder Politiker weiß: Die beste Rede und der beste Gesetzentwurf taugt nichts, wenn darüber nicht berichtet wird.