© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/17-01/18 22. Dezember / 29. Dezember 2017

Ein bißchen Frieden
CSU-Parteitag: Nach wochenlangem Machtpoker gaukeln Horst Seehofer und Markus Söder jetzt Harmonie und Geschlossenheit vor
Hinrich Rohbohm

Der alte Mann hat sich direkt vor dem Haupteingang postiert. Dort, wo alle 862 Delegierten vorbei müssen, die sich am vergangenen Wochenende in der Messehalle 7a von Nürnberg einfinden. Mit seinen Händen umfaßt er ein Plakat. „Streit beenden, an Bayern denken“, steht drauf. Auf der Rückseite eine Solidaritätsbekundung für seinen Parteichef: „CSU und Bayern, stark mit Seehofer.“ 

Es ist diesmal ein Harmonie-Parteitag. Die Christsozialen wollen vor der bayrischen Landtagswahl Geschlossenheit zeigen, nachdem die Partei in den vergangenen Wochen unter dem Machtkampf zwischen Horst Seehofer und Markus Söder stark gelitten hat. Scharmützel mit der CDU gelten daher momentan als zusätzliche Belastung. „Diese Streiterei bringt nichts. Ich bin froh, daß sich beide auf eine Doppelspitze geeinigt haben“, sagt ein niederbayerischer Delegierter der JF. „Mit der Ämtertrennung hat jeder sein Gesicht gewahrt. Söder und Seehofer sind professionell genug, um sich im Interesse der CSU aufeinander zuzubewegen“, ergänzt ein Vertreter aus Mittelfranken. 

Vor Beginn des Parteitags schlendert Markus Söder durch die Reihen der Delegierten, begrüßt viele per Handschlag, führt Smalltalk. Auch Horst Seehofer punktet. „Meinen Respekt, wie du das jetzt geregelt hast“, gratuliert ihm einer. Unmittelbar vor dem Eintreffen der Kanzlerin nimmt er sich Zeit für ein Gespräch mit einigen Transparente hochhaltenden Funktionären der Mittelstandsunion, debattiert mit ihnen. „Wir werden uns in den Koalitionsgesprächen nicht verbiegen lassen, das verspreche ich euch“, beruhigt er sie. Die Mittelständler sind zufrieden.

Ihre Transparente sind jedoch für die Kanzlerin bestimmt. „Parteitagsbeschlüsse sind bindend. Auch für die Parteiführung“, steht auf einem geschrieben. Eine Anspielung auf den Beschluß der Schwesterpartei gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, den die CDU-Chefin ignorierte. „Keine Koalition um jeden Preis“, so lautet der Spruch auf einem weiteren Transparent. Eine Aufforderung an die Union, nicht erneut die eigenen Inhalte bis zur Unkenntlichkeit preiszugeben. Bei ihrem Eintritt in die Halle mustert Merkel die Gruppe kurz, eilt dann mit Seehofer weiter in einen für Journalisten nicht zugänglichen Bereich.Ihre  Reaktion deuten die Mittelständler unterschiedlich. „Der sind die Gesichtszüge entglitten“, meint einer. Eine weitere MU-Funktionärin will eine positive Mimik ausgemacht haben: „Sie schien sogar erfreut zu sein.“ 

Tatsächlich tritt Angela Merkel in ihrer Rede entspannter auf als noch 2015.  „Ob Sie es glauben oder nicht, ich freue mich, bei Ihnen zu sein“, sagt Angela Merkel zu Beginn ihres Grußwortes. Der Beifall ist dann auch höflich, aber dezent. Nur wenige klatschen laut und überzeugt. Andere bleiben bei Merkels Einzug in die Halle demonstrativ sitzen. Als der Applaus einmal zu mäßig ausfällt, brandet plötzlich in den hinteren Reihen rhythmisches Klatschen auf. Es wirkt dermaßen aufgesetzt, daß es selbst der Kanzlerin nicht geheuer vorkommt. „Kam gerade ein Twitter-Signal, daß geklatscht werden soll?“ fragt sie ins Plenum und kann einige Lacher für sich verbuchen. Weniger zum Lachen dürfte sie ein Beschluß des CSU-Parteitags zur Grenzsicherung gebracht haben. „Allen aus einem sicheren Drittstaat einreisenden Nicht-EU-Ausländern, die nicht über die erforderlichen Paß- oder Visa-Dokumente verfügen, muß die Einreise nach Deutschland gemäß Grundgesetz und Asylgesetz verweigert werden“, heißt es in dem vom CSU-Bezirksverband Schwaben, der kommunalpolitischen Vereinigung (KPV) und dem Vorsitzenden des Konservativen Aufbruchs (KA), Thomas Jahn, eingebrachten Antrag, dem die Delegierten folgen. Die Bundesregierung wird darin aufgefordert, „unverzüglich für einen lückenlosen Gesetzesvollzug zu sorgen.“ Ein Punkt, der in Koalitionsgesprächen zu einem Konflikt mit der SPD führen könnte. „Wir hatten den Antrag schon im Sommer bei der KPV und der CSU Schwaben eingereicht“, verrät Jahn. 

Auch ein weiterer Beschluß dürfte Merkel nicht gefallen. So soll es künftig für CDU-Mitglieder möglich sein, die „vollwertige“ Mitgliedschaft in der CSU zu erwerben. Entsprechende Satzungsänderungen hat der Parteitag mehrheitlich beschlossen. 

Seehofer kommt nicht ganz so gut weg

Horst Seehofer kann sich ebenfalls einen Seitenhieb nicht verkneifen. „Gegen die Union kann im Bund keine Regierung gebildet werden. Und“, fügt er mit süffisantem Lächeln Richtung Merkel an, „gegen die CSU auch nicht.“ Lob dagegen für seinen Ex-Rivalen Markus Söder. „Er kann es, und er packt es“, ruft er ins Plenum. Donnernder Applaus. Wie so oft, wenn der Name Söder auf diesem Parteitag fällt. Der revanchiert sich bei Seehofer: „Für deine Entscheidung gebührt dir tiefer Respekt.“ Fast einstimmig nominieren ihn die Delegierten für das Amt des Ministerpräsidenten. Horst Seehofer kommt nicht ganz so gut weg. 83,7 Prozent votieren für ihn als Parteichef. Vier Prozent weniger als vor zwei Jahren. „Normalerweise kein gutes Ergebnis. Aber in der jetzigen Situation, akzeptabel“, bewertet ein CSU-Kreisvorsitzender aus der Oberpfalz das Ergebnis. „Jetzt müssen wir Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Einen Zickzackkurs dürfen wir uns nicht mehr erlauben“, raunen sich einige Delegierte später draußen im Foyer zu. Und meinen damit vor allem ihren wiedergewählten CSU-Chef.