© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/17-01/18 22. Dezember / 29. Dezember 2017

Anna Kaminsky entlarvt den Mythos vom sozialistischen Frauenparadies DDR
Illusion in Lila
Martina Meckelein

Literatur über Frauen im anderen Teil Deutschlands – da denkt man sofort an „Guten Morgen, du Schöne“ (1977) von Maxie Wander. Künftig vielleicht auch an Anna Kaminsky und ihr Buch „Frauen in der DDR“.

Ein Thema, zwei Arten der Beschreibung des sozialistischen Frauen-Alltags. Zwei Autorinnen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Maxie Wander, geboren in Wien, war Kommunistin und zog in den fünfziger Jahren in die DDR, wo sie 1977 starb. Eben dort, genauer in Gera, wurde Anna Kaminsky 1962 geboren. Die promovierte Sprachwissenschaftlerin studierte in Leipzig, und als die DDR sich aufzulösen begann, war sie alt genug, die politischen Veränderungen bewußt zu erleben.

Die Medien stellen sie als „DDR-Expertin“ vor, denn Kaminsky ist seit 2001 Geschäftsführerin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Berlin. 2007 geriet diese in die Kritik, als prominente Bürgerrechtler und Historiker in einem offenen Brief ihre Zusammenarbeit ausgerechnet mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung kritisierten, die der Partei Die Linke, also der ehemaligen SED, nahesteht und – so der Vorwurf – die DDR-Diktatur verherrliche.

Über Anna Kaminsky sagt die CDU-Politikerin Christine Lieberknecht, ehemalige Thüringer Ministerpräsidentin, selbst in der DDR sozialisiert und Mitglied im Vorstand der Stiftung Aufarbeitung: „Sie ist leidenschaftlich, engagiert und identifiziert sich mit der Sache.“ Ihre Stärke sei ihre Aufgeschlossenheit und Freundlichkeit. „Sie ist den Menschen zugewandt und eine  hervorragende Netzwerkerin.“ Tatsächlich reichen Kaminskys Fäden bis ins Kanzleramt.

Ihr Buch über die DDR-Frauen hat Aufsehen erregt. In einem Fernsehbeitrag erklärte sie ihre Motivation: In den bisherigen Büchern zum Thema habe sie sich nicht wiedergefunden. Und ihre erlebte DDR-Wirklichkeit – die dreifache Belastung der Frau als Hausfrau, Mutter und Werktätige – erscheint den deutschen Medien, die oft dem Mythos vom Gleichberechtigungsparadies DDR anhängen, suspekt. 

So mäkelte etwa DPA anläßlich von Kaminskys Buchpremiere, zwar schildere sie eindrücklich, wie sie ihren Sohn nicht in eine Krippe gab und in der DDR freiberuflich arbeitete. Doch ihr Buch sei unwissenschaftlich und ziehe Vergleiche zwischen den beiden deutschen Staaten nur einseitig zugunsten der Bundesrepublik. Und für die Frankfurter Rundschau ist Kaminsky „konservativ“. Die Zeit schickte Kaminsky zwei 28 und 26 Jahre alte Journalistinnen in ihre „bürgerliche Altbauwohnung“. Das Interview artete teils zum Streitgespräch aus. Denn den beiden Nachgeborenen kam in Kaminskys Buch zu kurz, daß DDR-Frauen „immerhin eines waren: gleichberechtigt“. Die Besserwisserinnen mußte Kaminsky jedoch enttäuschen: „Ich glaube einfach nicht, daß die DDR zum großen Emanzipierungsvorbild taugt.“