© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/17 / 15. Dezember 2017

Noch einmal das Meer sehen
Der Wünschewagen erfüllt Sterbenden ihre letzten Sehnsüchte
Bernd Rademacher

Weihnachten ist die Zeit vieler Wünsche. Manche haben nur noch einen Wunsch – den letzten! Jana und Ben sind zwei der ehrenamtlichen Helfer, die diese Wünsche von Todkranken erfüllen: Noch einmal die Nordsee sehen, noch einmal an den Ort der Kindheit zurückkehren. Der „Wünschewagen“ macht’s möglich.

Das Projekt ist eine Initiative des Arbeiter-Samariter-Bundes. Wünschewagen fahren bislang in zehn deutschen Bundesländern. Finanziert werden Autos, Personal, Schulung und die Wunsch­erfüllung durch private Spenden. Unter den Förderern sind Fußballvereine und kommunale Verkehrsbetriebe. Vor allem mittelständische Unternehmen unterstützen das Projekt, beispielsweise durch Benefiz-Veranstaltungen. Andere verzichten zu Weihnachten auf Kundenpräsente und stiften das Budget für den letzten Wunsch von Hospizpatienten. Eine Brandenburger Baufirma brachte so anläßlich eines Betriebsjubiläums über 13.000 Euro zusammen.

Auch die Helfer kämpfen oft mit den Tränen

Die Wünsche sind so individuell wie die Ursachen der noch verbleibenden geringen Lebenserwartung. Mancher möchte noch ein Konzert der Lieblingsband erleben, deren Lieder ihm Kraft gaben, andere noch einmal an einem Familientreffen an einem weit entfernten Ort teilnehmen. Eine Hamburgerin, der nur noch wenige Wochen blieben, wollte einfach ein letztes Mal an einem Imbiß am Elbstrand Fisch essen.

Die letzte Lebensphase schwerkranker Menschen jeden Alters ist für die Betroffenen, ihre Angehörigen, aber auch für die Pfleger stark belastend und eine Zeit vieler Tränen. Allein das gemeinsame Planen und Vorbereiten einer Aktion kann stark aufrichtend wirken. Der Wünschewagen ist ein eigens für diesen Zweck umgebauter Krankentransporter, der hell und freundlich eingerichtet ist. Viele große Fenster bieten einen Panoramablick, zur Sicherheit ist eine notfallmedizinische Grundausstattung an Bord. Natürlich ist genug Platz für begleitende Angehörige.

Spektakulär war ein Einsatz am 25. November: Der 67jährige Fußballfan Eckhardt wollte noch ein Spiel seines Lieblingsvereins Borussia Dortmund sehen. Er erlebte ein irre spannendes Balldrama: das Revier-Derby BVB gegen Schalke 04, das mit 4:4 unentschieden ausging. Ganze 420 Kilometer brachte der Wünschewagen Eckhardt und seine Frau von der Küste nach Dortmund. Ehrensache, daß das Team für das längst ausverkaufte Spiel die besten Plätze bekam. 

Viel stiller ging es sieben Tage später zu, als vier Ehrenamtliche ein unheilbar erkranktes Ehepaar aus Ludwigsburg nach Kühlungsborn fuhren, wo die beiden noch einmal die Erinnerung an schöne gemeinsame Urlaube wach werden lassen wollten. Kurz nach der Fahrt verstarb der Ehemann.

Besonders berührend für alle war der letzte Wunsch von Christel: Die 70jährige wollte unbedingt bei der Beisetzung ihrer geliebten Schwester dabeisein. Das Team holte sie von der Palliativstation der Klinik ab und fuhr mit ihr zum Friedhof, wo sie der Trauerfeier beiwohnen konnte. Völlig erschöpft, aber unendlich erleichtert, bedankte sie sich immer wieder bei den jungen Helfern.

Für diese sind solche emotional stark bewegenden Momente nicht immer leicht zu verkraften und oft genug können sie ihre Emotionen nicht immer verbergen. Doch alle sind sich einig, daß die Tätigkeit eine sehr bereichernde Erfahrung ist. Sie dürfen mit Recht stolz auf sich sein.

Die Fahrt mit dem Wünschewagen ist grundsätzlich kostenfrei. Das gilt auch für Eintritte in Veranstaltungen oder Restaurantbesuche. Der behandelnde Arzt muß der Fahrt zustimmen, das Fahrtziel sollte an einem Tag erreichbar sein. Wer einen Wunsch anmelden, spenden oder sich ehrenamtlich engagieren möchte, findet im Netz alle Informationen.