© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/17 / 15. Dezember 2017

Erst die US-Amerikaner beendeten den Spuk
1947 erlebte die Separatismusbewegung in der Pfalz eine kurze Renaissance / Anknüpfungen an die zwanziger Jahre
Hans-Jürgen Wünschel

Der Gouverneur der französischen Militärregierung, André Brozen-Favereau, war irritiert: An den „sehr geehrten Herrn Oberregierungspräsident“ Franz Bögler gerichtet, forderte er diesen auf, „mir das möglichst vollständige Aktenmaterial über die ‘Machenschaften’, die Ihre Erklärungen verursacht haben, zugehen zu lassen“. Böglers Rede vom 6. November 1947 im Koblenzer Landtag gaben ihm nämlich Anlaß zu der Annahme, „daß in der Pfalz eine beachtliche separatistische Tätigkeit entfaltet wurde“. 

Was war geschehen? Auf der Sitzung des rheinland-pfälzischen Landtages war über separatistische Umtriebe in der Pfalz diskutiert worden. Der Ministerpräsident stellte fest: „Jeder, der durch eine separatistische Propaganda der Zerreißung unseres Landes Vorschub leisten will, muß sich darüber im klaren sein, daß er sich außerhalb unserer Gemeinschaft stellt.“ 

Als nach dem Abzug der US-Besatzungstruppen im Juli 1945 die Franzosen in die Pfalz einmarschiert waren, tauchten auch aus ihrer Tätigkeit vor 1933 bekannte Separatisten auf, die nun versuchten, ihr 1924 am Widerstand der pfälzischen Bevölkerung gescheitertes Programm zu verwirklichen. Zur französischen Militärregierung in Neustadt gehörten auch Offiziere, die die Pfalz aus dieser Zeit kannten und die Separatisten vielfältig unterstützten. Somit gab es gute Voraussetzungen, um die Abtrennung der Pfalz von Deutschland zu betreiben.

Am 24. September 1945 wurde in Deidesheim die „Christlich-soziale, autonome Bewegung links des Rheins für Arbeiter, Bauern und Geschäftsleute“ gegründet. Gleichzeitig richtete die französische Ortsverwaltung in Kaiserslautern ein Informationsbüro ein, das als Stützpunkt für eine Vielfalt von separatistischen Vereinigungen diente. Anfang des Jahres 1946 erhielten pfälzische Bürgermeister vom „Informationsbüro Kaiserslautern“ Schreiben, in denen es hieß: „Um das in weitem Maße bekundete Interesse wahrzunehmen, haben wir uns bereit erklärt, Personen, welche sich mit dem Gedanken an einen föderativen Rheinstaat befreundet haben, zusammenzufassen und zu noch festzulegenden Organisation zu vereinigen.“  

Auch wurden Flugblätter und Aufnahmeerklärungen einer „Union des Amis de la France“ verteilt. Ihre Mitglieder mußten sich verpflichten, „die Loslösung der Pfalz und Saar von Preußen und Reich und die Angliederung an Frankreich zu unterstützen“. Innerhalb weniger Wochen zählte die Mitgliederkartei der Union in Kaiserslautern aber nur etwa 200 Personen. Verbindungen über die Landesgrenzen hinweg zur „Rheinischen Volkspartei“ im Raum Köln/Aachen, die einen „selbständigen rheinischen Volksstaat auf nationaldemokratischer Grundlage“ forderte, wurden hergestellt. Am 26. Mai versammelten sich etwa tausend Personen in der Fruchthalle zu Kaiserslautern zu einer Kundgebung: „Warum ein eigenstaatliches Rheinland“. Es sprachen Karl Steiner, Vizepräsident der „Rheinischen Volkspartei“, und Oberregierungsvizepräsident Carl Felix Koch, in seiner Studentenzeit ein vertrauter des Dichters Stefan George. Ihre Reden schlossen mit einem Appell an die Bevölkerung, sich in „verschiedenen Komitees für ein eigenstaatliches Rheinland zu engagieren“. 

Separatisten genossen  französische Unterstützung

Außerdem wurden in Kaiserslautern die „Pfälzische Volksbewegung“ und die „Wirtschaftsinteressengemeinschaft Saar-Pfalz-Rhein“ gegründet, der die Einführung des Franc und die französischen Steuergesetzgebung erstrebte. Die „Bewegung für den Anschluß der Pfalz an Frankreich“ in Standenbühl war ein Ableger ähnlicher Bemühungen der Franzosen im Saarland gewesen ist. Im Sommer 1947 überraschten Flugschriften einer sozialdemokratischen Organisation, die „den Zusammenschluß aller Deutschen der Gebiete Ruhr, Rheinland, Hessen-Nassau, Saar, Pfalz und Baden aufgrund des Selbstbestimmungsrechtes der Völker zu einer Sozialistischen Rhein-Union“ forderte. Ihr Programm ähnelte jenem der Nationalsozialisten sehr. Hier wurde sichtbar, was zehn Jahre später zu heftigen Diskussionen innerhalb der pfälzischen SPD führen sollte: die Anhänglichkeit mancher Genossen an NS-Ideen.

Die Separatisten konnten mit dem Wohlwollen Frankreichs rechnen, hatte doch der Führer des Freien Frankreich, Charles de Gaulle, Ende 1944 zugestimmt, daß Polen die Gebiete östlich von Oder und Neiße erhalte, wenn Stalin den Rhein als französische Ostgrenze akzeptiere. So von der UdSSR unterstützt, begünstigte Frankreich 1947 Pläne für die Regierungsübernahme in der Pfalz durch Separatisten. Sie wollten notfalls „zwei französische Divisionen mobilisieren“. Die pfälzischen Parteien brachten deshalb am 6. November 1947 die Angelegenheit im Landtag zur Sprache. Sie verwiesen auf das blutige Ende der Separatisten im Jahre 1924 und warnten vor einer schweren Belastungsprobe für alle Verständigungsbemühungen zwischen Frankreich und dem pfälzischen Volk durch den Separatismus. Der Bitte der französischen Militärregierung ist der Pfälzer Oberregierungspräsident Bögler dann am 11. November 1947 nachgekommen. Allerdings übergab er die „entlarvenden“ Dokumente, die ausführliche Darstellung aller separatistischen Aktivitäten, dem katholischen Pfarrer Johannes Finck in Limburgerhof, damit dieser die Materialien hinter dem Tabernakel seiner Kirche versteckte. Nebenbei: Bei Pfarrer Finck  war seit Jahren fast täglich ein junger Pfälzer Bub zu Gast, der mit großem Interesse dessen politische Ansichten kennenlernte, die vom politischen Katholizismus und seiner Soziallehre beeinflußt waren: Helmut Kohl. 

Schon bald darauf schwenkte Frankreich auf die trizonale Deutschlandpolitik der USA ein. Damit war in den folgenden Jahren den Separatisten in der Pfalz endgültig die Grundlage für ihre Agitation entzogen.