© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/17 / 15. Dezember 2017

Wolfsburg opfert seinen „Bauern“ Oliver Schmidt
Autoindustrie I: Die Deutsche Umwelthilfe beschuldigt auch BMW der Manipulation am Dieselmotor / Hartes Urteil für VW-Manager in den USA
Sandro Serafin

Verschwörung zum Betrug, Verstoß gegen das Umweltrecht: Am Ende blieb Bezirksrichter Sean Cox in Detroit erwartungsgemäß hart und verurteilte Oliver Schmidt zu sieben Jahren Haft und Zahlung von 400.000 Dollar. Der Deutsche hatte im August zugegeben, von den Abgasmanipulationen im Volkswagen-Konzern gewußt und die kalifornische Umweltbehörde Carb als VW-Umweltbeauftragter in den Vereinigten Staaten darüber getäuscht zu haben.

Mit Schmidt trifft es erneut einen VW-Manager mittleren Ranges, keinen Strippenzieher, eher einen Helfershelfer im Abgasskandal. Daher läßt sich vermuten, daß die Wolfsburger den 48jährigen opferten, um die oberste Führungsriege aus der Schußlinie zu nehmen. Schmidt selbst redet davon, vom VW-Konzern „mißbraucht“ worden zu sein. Fest steht: Die Amerikaner wissen den VW-Skandal für ihre Zwecke zu nutzen. Nicht nur werden Verantwortliche öffentlichkeitswirksam mit Höchststrafen belegt, um – wie es scheint – die Lüge am amerikanischen Volk zu rächen. Auch konnten seit 2015 bereits milliardenschwere Schadenersatzforderungen geltend gemacht werden. Um den Umweltschutz dürfte es dabei in Übersee auch, aber nicht nur gehen.

„Züge einer  gezielten Kampagne“

In Deutschland hat „Dieselgate“ derweil in erster Linie eine völlig neue Sensibilität gegenüber der Selbstzünder-Technologie hervorgerufen, die auch nach zwei Jahren noch täglich extremer zu werden scheint. Vor allem der kleine, aber gefürchtete Abmahnverein Deutsche Umwelthilfe (DUH) tut sich seither als Spitze im Kampf gegen die „Luftverpester“ hervor – und zählt inzwischen alles an, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Das bekam nun auch BMW zu spüren. Der bayerische Konzern war bisher von Manipulationsvorwürfen völlig unberührt geblieben. Selbst die strengen Kontrollen der US-Behörden hatten keinerlei Hinweise darauf ergeben, daß auch BMW manipuliert.

Um so überraschender kam die DUH-Meldung, daß das BMW-Diesel-Modell 320d auf der Straße Schadstoffe ausstoße, die „um das bis zu 7,2fache höher“ seien als im Testlabor – zumindest, wenn man den Motor auf über 3.500 Umdrehungen bringt. BMW, so die Implikation, sei damit der Abgasmanipulation nach VW-Vorbild überführt. In München widersprach man umgehend. Bei den DUH-Testfahrten seien „bewußt und zielgerichtet untypische Fahrweisen im Randbereich um plakative Emissionswerte zu konstruieren“ – etwa durch zu spätes Hochschalten – erzwungen worden. Das habe „Züge einer gezielten Kampagne“, erklärte BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich. Man werde sich gegen „falsche Berichterstattung“ zur Wehr setzen.

Die DUH sieht das anders: Ein Drehzahlwert von 3.500 werde „bereits“ bei einer Geschwindigkeit von 70 km/h im dritten oder auch von 112 km/h im fünften Gang erreicht, heißt es in der DUH-Pressemitteilung. Und: „Das Fahrzeug muß in allen normalen Betriebssituationen eine voll funktionstüchtige Abgasreinigung haben.“ Fahrzeuge wie der 320d müßten daher zurückgerufen werden. Welche BMW-PKW neben dem 320d noch betroffen sind, ließ die DUH offen – vielleicht, weil er das einzige Modell ist, bei dem sich Fehler feststellen lassen. Der neue Fall BMW zeigt: Ein Ende der Diesel-Aufregung in Deutschland ist weiterhin nicht in Sicht. Im Gegenteil. Umweltverbände und Lobbyvereinigungen scheinen nach immer neuen – tatsächlichen und vermeintlichen – Skandalen zu suchen, um die Aufgeregtheit rund um den Selbstzünder weiter zu nähren.

Dieselzulassungen sinken um mehr als 19 Prozent

Die Politik, aufgrund drohender Fahrverbote wegen EU-Normen auch zeitlich unter Druck, wartet inzwischen mit einer Reihe von neuen Maßnahmen auf, um die mediale Aufregung rund um den Diesel – manch einer spricht schon von einer Hysterie – zu beruhigen.

So berichtete das ARD-Magazin Plusminus am 29. November, daß das Bundesamt für Güterverkehr seit diesem Jahr Lkws aus dem Verkehr winkt, um sie auf eine illegale Abschaltung des emissionsreduzierenden AdBlue-Systems zu überprüfen. Eine völlig neue, bisher nicht durchgeführte Maßnahme.

Nicht ganz so neu ist die sogenannte Endrohrmessung, die ab dem ersten Januar im Rahmen der Hauptuntersuchung in Deutschlands Kfz-Betrieben wieder zur Entlarvung von Abgasmanipulationen eingesetzt werden soll. Sie mußte seit einigen Jahren bei Autos ab dem Baujahr 2006 nicht mehr durchgeführt werden. Doch angesichts der VW-Abgasaffäre beschloß der Bundesverkehrsminister ihre Rückkehr.

Anfang August hatte die Bundesregierung einen Dieselfonds aufgelegt, um die Luft in den Städten zu verbessern und Fahrverbote zu verhindern. Wie der Verband der Automobilindustrie kürzlich zusagte, wird die heimische Autoindustrie sich mit rund 160 Millionen Euro daran beteiligen. Ausländische Autobauer lehnen dies bisher noch ab.

Ob diese punktuellen Maßnahmen überhaupt noch rechtzeitig Wirkung zeigen, ist fraglich. Am 22. Februar will das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über eine Klage der DUH gegen Nordrhein-Westfalen entscheiden. Dabei soll es auch darum gehen, ob die Verhängung genereller Fahrverbote, wie sie etwa in Düsseldorf und Stuttgart gerichtlich angeordnet wurden, überhaupt zulässig ist.

Unabhängig davon wird bereits jetzt deutlich, daß die Dieseltechnologie nun schon seit zwei Jahren unter Dauerbeschuß steht. Dies bleibt nicht ohne Folgen. Laut aktuellen Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes waren im November nur noch 34 Prozent aller neu zugelassenen Kfz Dieselfahrzeuge. Ein Rückgang um 17 Prozentpunkte.

Bei den deutschen Umweltverbänden dürfte das Bedauern darüber eher gering ausfallen. Doch am Ende könnten sie sich mit ihrer Anti-Diesel-Kampagne ins eigene Fleisch geschnitten haben. Denn der große Andrang auf den Benziner (61,7 Prozent der Neuzulassungen, plus 28 Prozent) sorgt zwar für eine Senkung der Stickoxid-Ausstöße (NOx), treibt dafür jedoch die Kohlendioxid-Emissionen in die Höhe. Die stiegen im November im Vergleich zum Vormonat um 1,1 Prozent auf durchschnittlich 127,8 Gramm pro gefahrenen Kilometer. Und daß mehr CO2 zur globalen Klimakatastrophe führt, glauben sogar BMW- und VW-Vorstandsmitglieder.

Pressemitteilung 29/2017 – Fahrzeugzulassungen im November 2017

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