© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/17 / 15. Dezember 2017

Feilschen bis zum Schluß
Österreich: ÖVP und FPÖ befinden sich bei den Regierungsgesprächen auf der Zielgeraden / Heiße Debatte um Arbeitszeiten
Verena Rosenkranz

Nur knappe zwei Monate nach der Nationalratswahl in Österreich und dem Auftrag zur Regierungsbildung an den Gewinner Sebastian Kurz (ÖVP) steht Schwarz-Blau vor der Vereidigung. Bis zur Mitte der kommenden Woche sollten sich die Verhandler beider Parteien auf alle Hindernisse der kommenden fünf Jahre ausreichend vorbereitet haben. Die wesentlichen Eckpunkte sind bereits bekannt, um einzelne Ministerposten wird jedoch bis zuletzt gefeilscht. 

So herrschte helle Aufregung um die geplante Einführung eines freiwilligen 12-Stunden-Arbeitstages sowie einer 60-Stunden-Woche. Während Kritiker eine Aushebelung der errungenen Arbeitsrechte befürchten und annehmen, daß Arbeitgeber eher jemanden einstellen, der dieser „Freiwilligkeit“ nachkommt, dementierte FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache diese Ansichten. 

Generelles Rauchverbot in Kneipen ist vom Tisch

Obwohl er sein jetziges Vorgehen noch im Jahr 2013 im Kurier eine „asoziale, leistungsfeindliche Idee“ nannte, „da dies für alle Arbeitnehmer Nettoreallohnverluste bedeuten würde“, beugte er sich nun doch dem Vorhaben der ÖVP beim Rahmenprogramm „Wirtschaftsstandort und Entbürokratisierung“. Nach einem Sturm der Entrüstung selbst durch blaue Wähler sprach die FPÖ von Fake News, die bewußt durch Medien in Umlauf gebracht würden. Die Freiheitlichen würden sich weiter zu einem 8-Stunden-Arbeitstag bekennen und die bisherige Möglichkeit, freiwillig länger zu arbeiten und dann längere Zeit frei zu haben, vereinfachen wollen.

Strache hatte im Vorfeld immer wieder betont, aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt zu haben. Im Jahr 2000 bei der Koalition aus ÖVP und FPÖ unter der Führung von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) sei vieles „übers Knie gebrochen“ worden. Bei den damaligen Verhandlungen habe sich die FPÖ nicht bemüht, daß das Programm eine freiheitliche Handschrift trage. Man werde nur dann Regierungsverantwortung übernehmen, wenn die wesentlichen freiheitlichen Grundsätze im Regierungsprogramm umgesetzt würden. Am Wochenende trat Strache im Gespräch mit der Krone etwas auf die Bremse. Der Handlungsspielraum sei doch sehr eng, so der 48jährige: „Es wird sich nicht alles auf einmal umsetzen lassen, das Budget ist durch die Vorgängerregierungen stark belastet.“

Wesentlich positiver als die Arbeitszeiten wird das Vorhaben aufgenommen, die vielen verschiedenen Sozialversicherungskassen zusammenzufassen. Während das kleine Land in Mitteleuropa in jedem  einzelnen der neun Bundesländer autonome Kassen mit unterschiedlichen Leistungen anbietet, soll nun eine übergeordnete Basis geschaffen werden. 

Nahezu keinen Widerstand gibt es zum Vorhaben, jeder Familie ab dem Jahr 2018 mit einer Steuererleichterung von 1.500 Euro jährlich entgegenzukommen sowie einer generellen und schrittweisen Steuerentlastung für die österreichische Bevölkerung. Lediglich das Budget und die Finanzierung werden derzeit noch diskutiert.

 Einigkeit demonstrierten die neue ÖVP und die Freiheitlichen in diesem Punkt allerdings schon vor der Wahl. Als großen Erfolg wertete Strache dann am Montag die Einigung darauf, das für Mai 2018 geplante Rauchverbot in der Gastronomie zu streichen. Nichtraucherschutz und Wahlfreiheit seien eben kein Widerspruch, so der FPÖ-Chef auf Facebook. In der Gastronomie werde es auch künftig kein generelles Rauchverbot geben. Raucherlaubnis bestehe auch weiterhin in eigens abgetrennten Bereichen sowie in der Kleingastronomie mit Kennzeichnung. „Ich bin stolz auf diese hervorragende Lösung im Interesse der Nichtraucher, der Raucher und der Gastronomen“, unterstrich Strache. 

Dieser soll den Posten des Vizekanzlers annehmen, vernimmt man aus freiheitlichen Kreisen, FPÖ-Generalsekretär und Chefstratege Herbert Kickl den bedeutenden Posten des Innenministeriums bekleiden. Für das Außenamt baten die Freiheitlichen die langjährige Diplomatin und Nahost-Expertin Karin Kneissl um ihre Mitarbeit. 

Insgesamt sollen die Blauen mit den Agenden Verkehr, Verteidigung und Infrastruktur damit sechs bedeutende Ressorts erhalten. Während Sebastian Kurz den Posten des Bundeskanzlers einnehmen wird, fallen seiner Partei die Ressorts Finanzen, Justiz, Bildung und Umwelt zu.

Wenig beeindruckt scheinen die unter Hochdruck an einer fähigen Regierung für Österreich arbeitenden Parteien indes von den laufend stattfindenden Demonstrationen vor dem Parlament zu sein.  Ein Bündnis aus der Hochschülerschaft der Uni Wien, der Organisation „Offensive gegen Rechts“, der Plattform „für eine menschliche Asylpolitik“ sowie der Plattform „Radikale Linke“ rief bereits zu einem Protest gegen die geplante Vereidigung zwischen dem 18. und 20. Dezember auf