© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/17 / 15. Dezember 2017

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
KoKo statt GroKo?
Paul Rosen

Die Verlierer der Bundestagswahl, Union und SPD, wollen sich zusammenraufen und ein neues Bündnis eingehen – in welcher Form auch immer. Kanzlerin Angela Merkel möchte zunächst nur Leitplanken mit der SPD festlegen und damit den Fehler der detaillierten Festlegungen in den Sondierungen für Jamaika vermeiden. Die SPD-Linke brachte schon den Begriff der „KoKo“ (Koordinierungs-Koalition) ins Gespräch, was zur Leitplanken-Idee der Kanzlerin passen würde. Nicht so akut scheinen Überlegungen zu sein, eine Minderheitsregierung der Union zu bilden, wofür sich CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn stark gemacht hatte. 

Denn dann habe die Opposition im Bundestag eine Mehrheit, erinnerte der CSU-Landesgruppenvorsitzende Alexader Dobrindt, der damit weit stärker als Merkel gegen eine Minderheitsregierung Front machte. Dobrindt erinnerte, daß pro Sitzungswoche bis zu zehn Gesetze durch den Bundestag müßten und äußerte „erhebliche Zweifel“, daß eine Bundesregierung ohne Mehrheit das schaffen werde. Dobrindt blendete allerdings aus, daß von den zehn Gesetzentwürfen fünf bis acht der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, wo die CDU/CSU allein keine Mehrheit hat, sondern sich die Mehrheiten in der Vergangenheit zumeist durch Entgegenkommen zu Landesregierungen mit grüner Beteiligung zusammenkaufte. Es wirkte ein schwarz-rot-grünes Bündnis im Hintergrund – ein System, das auch eine Minderheitsregierung nutzen könnte. Trotzdem will Dobrindt sie nicht: „Ich will die Große Koalition.“ Eine Minderheitsregierung könne es nur für die Zeit bis zu Neuwahlen geben. Und Neuwahlen könnte sich Dobrindt nach einem  Scheitern aller Koalitionssondierungen bis zum Sommer vorstellen. 

Womit die nächste Frage nach dem Datum der Regierungsbildung gestellt wäre. Merkel drückt zwar aufs Tempo: „Die Welt erwartet, daß wir regieren können.“ Doch die Kanzlerin weiß wie alle anderen Unionsspitzenpolitiker, daß die 180-Grad-Wende des SPD-Tankers Zeit braucht und vor allem erst einmal von den Mitgliedern verdaut werden muß. Selbst wenn sich die drei Parteien nur auf „Leitplanken“ verständigen würden, ist das Risiko des Scheiterns enorm: In der SPD steht ein weiterer Parteitag an, der der Aufnahme von regulären Verhandlungen mit der Union zustimmen muß. Erinnert werden muß in diesem Zusammenhang, daß der letzte SPD-Parteitag die Drehung des Vorsitzenden Schulz zur Union mitmachte, aber dafür der lautstärkste Befürworter des Bündnisses, Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, ein Fiasko bei seiner Wiederwahl zum Parteivize erlebte, wo er ohne Gegenkandidat beinahe durchgefallen wäre. 

Wie die SPD-Basis abstimmen wird, die nach in Berlin umlaufenden Terminplänen vielleicht Anfang oder Mitte März nach Abschluß regulärer Koalitionsverhandlungen befragt werden könnte, ist völlig offen. Demoskopen sehen derzeit ein Nein zur „GroKo“. Sollte Schulz seine Basis noch umstimmen können, wäre Mitte März mit der Kanzlerin-Wahl zu rechnen.