© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/17 / 08. Dezember 2017

Was für „1 Leben“?!
Jugendsprache: Jede Generation hatte ihre ganz eigene Ausdrucksweise, doch heute versagen die korrigierenden Instanzen zunehmend
Boris T. Kaiser

Das Thema Jugendsprache bietet für jeden, der sich öffentlich damit auseinandersetzt, so einige Fallstricke. Vor allem wenn man der Jugend, die diese Sprache spricht, selbst nicht mehr angehört. Wer das Thema positiv behandelt, läuft Gefahr, sich zu stark beim Objekt der Auseinandersetzung anzubiedern. Das kann schnell peinlich werden. Manch Sparkassenwerbespot, Thomas Gottschalk-Auftritt und Jugendwahlkampfaktion zeugt davon.

Nicht weniger peinlich ist es aber, wenn Menschen, jenseits der 30, die Zeigefinger erheben, nur um sie dann auf die Computertastatur herabsinken zu lassen, um bitterböse kulturpessimistische und frustrierte Pamphlete gegen die „Jugend von heute“ zu schreiben. Nicht selten vergessen die Verfasser solcher Texte, daß sie selbst mal jung waren und daß die Sprache, die sie damals sprachen und in Teilen wahrscheinlich bis heute beibehalten haben, sich auch deutlich von der ihrer Eltern und Großeltern unterschied. So ist beispielsweise das Wort „geil“ längst Teil der Alltagssprache geworden. Wer heute „geil“ sagt, wird damit meist etwas völlig anderes meinen als frühere Generationen. 

Sprache befindet sich seit jeher in einem immerwährenden Prozeß der Veränderung. Auch Begrifflichkeiten aus „fremden Sprachen“ hatten stets einen prägenden Einfluß. Latein, Griechisch und Französisch haben unseren Wortschatz mindestens so sehr geprägt wie später die gerade in konservativen Kreisen oft verpönten Anglizismen. Sich pauschal darüber zu empören, daß Sprache sich verändert, ist daher ähnlich unsinnig, wie sich permanent über das Wetter zu beschweren. Auch wenn beides in Deutschland sehr verbreitet ist.

Durchaus sinnvoll ist es aber, sich anzuschauen, wer oder was den Wortschatz und damit die Köpfe unserer Jugend prägt. Auch ob diese Veränderung des Sprechens und Schreibens eine Weiterentwicklung oder eher eine Rückentwicklung und Verflachung der deutschen Sprache darstellt, ist eine Frage, deren Stellung einen nicht zu einem ewiggestrigen Spießer macht.

Bei Sätzen, in denen bewußt falsche Formulierungen wie „I bims“ („Ich bin’s“, Jugendwort des Jahres 2017) oder „vong her“ („von“) vorkommen, kann man es durchaus zu Recht mit Angst zu tun bekommen, daß eine Rückentwicklung unserer Sprache, hin zu primitiven Schnalzlauten nur noch einen kleinen Menschheitsschritt entfernt ist. 

Die Gesellschaft fördert eine Verflachung

Diese Sorge wird auch dadurch nicht gerade geschmälert, daß Pädagogen an vielen deutschen Schulen die Kinder mittlerweile nach Gehör schreiben lassen. Hier liegt ein entscheidender Unterschied zwischen der heutigen Jugendsprache und dem „Slang“ früherer Generationen. Ein wichtiger Grund für das Verwenden einer ihr eigenen Sprache war für Jugendliche immer die Abgrenzung von älteren Autoritäten. Eltern und Lehrer sollten gar nicht verstehen, was man als Teenager so mit seinen Freunden zu besprechen hatte. Früher wurde dieser sprachlichen Entwicklung in der Schule und im Elternhaus aber stets gegengesteuert. Dies hatte zwar den Effekt, daß man die eigene Sprache untereinander, als Zeichen der Auflehnung und des Zusammenhalts, um so intensiver nutzte, auf der anderen Seite führte die permanente „Verbesserung“ durch Lehrer und Eltern aber dazu, daß man als Jugendlicher immer wußte, wie es „richtig heißt“. 

Diese korrigierende Wirkung, die einem, so nervig sie sein konnte, im späteren Berufs- und Sozialleben sehr hilfreich war, fällt gegenwärtig häufig weg. Die Abkehr von einer verständlichen und einigermaßen kultivierten Sprache wird heute sogar öffentlich befördert. Hinzu kommt eine bizarre Mischung aus politischer Korrektheit und Begriffen aus dem Islam, die die Köpfe der kommenden Generationen infiltrieren. 

Nicht nur, daß deutsche Jugendliche die „Kanak-Sprak“ türkischer und arabischer Rapper imitieren und deshalb oft schon schlechter Deutsch sprechen als gut integrierte Migranten. Deutsche Mädchen wissen heute nicht nur, was ein Genderstern ist, sie wissen auch, bereits spätestens in der Pubertät, daß Selbstbestimmung und Freiheit für eine Frau total „haram“ sind. Was ist das bitte für „1 Leben“?