© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/17 / 08. Dezember 2017

Berlusconis Rechnung scheint nicht aufzugehen
Italien: Taktische Winkelzüge gefährden die guten Chancen des Mitte-Rechts-Bündnisses bei der Parlamentswahl im Frühjahr 2018
Marco F. Hermann

Eigentlich galt Silvio Berlusconi längst als abgeschrieben. Doch vergangene Woche zeigte Italiens mehrfacher Ex-Premier, daß er sich immer noch auf sein Geschäft versteht. Völlig überraschend schlug er den ehemaligen Kommandanten der Carabinieri, Leonardo Gallitelli, als neuen Premier vor. Mit einem Mal hatte der 81jährige Berlusconi politische Gegner und Medien wieder in Aufruhr versetzt – und das ganz ohne einen seiner berüchtigten Skandale.

Die plötzliche Kandidatenkür gilt vor allem als Schachzug gegen die Widersacher im eigenen Lager. Seit Monaten krebst Berlusconis Forza Italia nur noch zwischen zwölf und fünfzehn Prozent herum. In seinen besten Jahren brachte es das Mitte-Rechts-Bündnis stets über 30 Prozent. 

Staranwälte sollen dem Medienzar den Weg bahnen 

Die Lega Nord, die früher als kleinerer Koalitionspartner mit Berlusconi Regierungsbündnisse schloß, überholt seit Monaten die ehemalige Großpartei immer wieder in den Umfragen. Die Führungsfrage spaltet das rechte Lager, da der Chef der Lega Nord, Matteo Salvini, eine Unterstützung Berlusconis bisher ausschloß. Auf die Nachricht von Gallitellis möglicher Nominierung reagierte Salvini daher unvorbereitet: „Gallitelli als Premier? Davon habe ich nie gehört, das ist mir völlig neu.“

Obwohl die Presse die Rückkehr Berlusconis beschwört, kann der Mailänder Medienzar nicht als Premierminister kandidieren. Ein Gesetz aus dem Jahr 2012 macht dem ehemals mächtigsten Mann Italiens zu schaffen. Demnach dürfen Delinquenten, die in dritter Instanz zu mehr als zwei Jahren Haft verurteilt wurden, kein politisches Amt ausüben. Berlusconi wurde 2013 wegen Steuerhinterziehung zu vier Jahren Haft verurteilt. Seine Hoffnung ruht auf dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Mit einem Aufgebot Londoner Staranwälte klagt der Ex-Premier dort gegen sein eigenes Land, um das Verbot aufzuheben.

Nicht zuletzt aufgrund der Abhängigkeit von einem europäischen Urteil geht das einstige Enfant terrible des Kontinents auf Kuschelkurs mit der EU. Während sämtliche Parteien der Opposition skeptisch zur Brüsseler Administration stehen, entdeckt Berlusconi seine pro-europäische Seite und inszeniert sich als verantwortungsvoller Staatsmann, der als einziger die „Populisten“ in Schach halten könne. 

Der Wahlkampf der Forza Italia ähnelt jenem der anderen etablierten politischen Parteien in Europa. Auf Malta soll er damit selbst Angela Merkel bei einem Treffen überzeugt haben.

Die Rechnung scheint jedoch nicht aufzugehen: Berlusconis Partei stagniert weiterhin. Strategisch steckt er in einer Zwickmühle, denn Salvini hat mit der dritten rechten Partei, den Nationalisten von den Fratelli d’Italia, ein Bündnis geschmiedet. Deren Parteivorsitzende Giorgia Meloni sprach sich bereits früher für ein rechtes Lager unter Führung der Lega Nord aus. 

Beide Parteien verbindet nicht nur eine EU- und eurokritische Politik, sondern vor allem die Forderung nach einer rigideren Asylpolitik. Der Norden ist fest im Griff der Lega, da sich diese für eine Autonomie der reichen Regionen ausspricht. Im Süden dagegen ist die Forza Italia fest verankert, wie die jüngste Wahl in Sizilien (JF 46/17) zeigte. 

Ein Bündnis aller drei Parteien könnte 35 bis 40 Prozent der Stimmen bei der Wahl im Frühjahr erringen. Denn der sozialdemokratische Partito Demokratico von Paolo Gentiloni steckt seit einem Jahr in einer Dauerkrise und ist nach mehreren Wahlniederlagen und einer Parteispaltung so schwach wie nie.

 Es wäre aber nicht das erste Mal, daß das bürgerliche Lager aufgrund von  Streitereien mit Berlusconi seine Chance verpaßt. Vieles erinnert an die römische Bürgermeisterwahl im Jahr 2016, als die Lega Giorgia Meloni als Kandidatin unterstützte. Berlusconi brach die Allianz und kürte einen eigenen Kandidaten. Auch dort war die Linke geschwächt. Lachende Dritte war Virginia Raggi von Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung. Letzterer liegt in den Umfragen derzeit als stärkste Partei an der Spitze.