© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/17 / 01. Dezember 2017

Die Politik hat versagt
Wohnungsnot: Der EZB-Niedrigszins ist die Hauptursache für hohe Immobilienpreise
Markus Brandstetter

Jüngst hat eine Pressemitteilung viele Menschen wieder einmal ordentlich geschockt: 860.000 Menschen, hieß es, waren im Jahr 2016 in Deutschland ohne Wohnung. Zwei Jahre davor waren es im Jahresdurchschnitt noch 573.333 gewesen, während der Wert vor zehn Jahren noch unter 200.000 gelegen hatte. 

Wenn solche Zahlen veröffentlicht werden, dann beklagen die Medien immer zuerst die angebliche grassierende Wohnungsnot, dann kritisieren sie die viel zu hohen Mieten, und zum Schluß werden dann jedesmal Caritas, Diakonie, die Paritätischen Wohlfahrtsverbände und natürlich der Mieterbund zitiert, die bekanntlich alle seit Jahr und Tag von Staat und Politik ein riesengroßes Wohnungsbauprogramm – die Rede ist von 400.000 Wohnungen im Jahr – fordern. Hat sich der Staub wieder gelegt, dann verschwindet das Thema erneut in der Versenkung, und es passiert – gar nichts. Und schon gar nicht in den Städten und Ballungszentren, wo die Mieten und die Preise für Häuser und Eigentumswohnungen seit 2010 am stärksten steigen.

Die Kritiker von Wohnungsnot und Megamieten vereint der Glaube, daß der Staat, würde er nur endlich massiv in den Immobilienmarkt eingreifen, sämtliche Probleme rasch lösen könnte. Das ist barer Unsinn, weil die Ursachen für steigende Mieten und immer höhere Immobilienpreise zwar irgendwann von der Politik geschaffen wurden, aber längst nicht nur von der deutschen. Und hier seit Jahrzehnten ohnehin Mechanismen am Wirken sind, die kein einzelner Staat und schon gar nicht in ein paar Jahren in den Griff kriegen könnte.

Fangen wir mit der jüngsten und sichtbarsten Ursache für die Wohnungsmisere an: den Flüchtlingen. Offenbar haben sich die Vertreter der Willkommenskultur nie so richtig überlegt, daß die Millionen, die Deutschland in den vergangenen Jahren aufgenommen hat, ihr restliches Leben nicht in Turnhallen verbringen, sondern irgendwann auf den Wohnungsmarkt drängen werden, wo sie dann Druck auf die vorhandenen, meist einkommensschwachen Mieter ausüben müssen. Genau dieser Prozeß ist, wie man an den sich zusehends leerenden Aufnahmelagern sehen kann, bereits in vollem Gange. 

Viele Menschen, die Flüchtlinge willkommen heißen, sind zugleich Gegner des Klimawandels und der Erderwärmung. Um diese zu bekämpfen, haben verschiedene Bundesregierungen zwischen 2001 und 2013 insgesamt drei Energieeinsparverordnungen (EnEV) beschlossen, mit dem Fernziel, daß alle deutschen Gebäude bis 2050 klimaneutral seien. Das ist ein schöner, wenn auch unrealistischer Traum, der allerdings extrem viel Geld kostet. Diese EnEVs sind der Hauptgrund dafür, daß die Baupreise für Wohngebäude von 2001 bis 2017 um ein Drittel gestiegen sind. 

Der Bau eines Zweifamilienhauses, der im Jahr 2001 noch einigermaßen bezahlbare 258.000 Euro kostete, schlägt heute mit happigen 360.000 Euro zu Buche – ohne Grund und Boden versteht sich. Rechnen wir Grundstück, Grunderwerbsteuer und Notarkosten mit dazu, dann kostet ein Zweifamilienhaus heute gut und gerne eine halbe Million Euro.

Aber nicht nur die Häuser haben sich verteuert, sondern auch die Grundstücke, auf denen sie stehen. Bis zu einer Grundstücksgröße von 300 Quadratmetern kostet ein Quadratmeter Bauland heute im Schnitt 300 Euro, bei Grundstücken bis 600 Quadratmeter sind es 180 Euro je Quadratmeter. Hier spielen jetzt aber nicht nur Klimaträume und Dämm-Wahn eine Rolle, sondern massive Fehler von Kommunen, die, um leere Gemeindekassen zu füllen, vor zehn oder fünfzehn Jahren Grundstücke billig an Bauträger verschleudert haben – Objekte, die sie heute zum Fünf- und Zehnfachen wieder zurückkaufen, um überhaupt noch Bauland ausweisen zu können.

Aber diese drei Faktoren können die seit 2011 stetig steigenden Immobilienpreise nie allein erklären. Nein, die Hauptursache für diese Entwicklung liegt in der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Im Januar 2009 hat die EZB den Leitzins auf ein Prozent gesenkt, was die Besitzer von Sparguthaben, Tagesgeldern und Bundesanleihen über Nacht um ihre Renditen gebracht hat. Rechnet man jetzt noch das Mißtrauen der Deutschen gegenüber Aktien, das durch die Finanzkrise von 2007 nochmals bestärkt wurde, dazu und hat im Hinterkopf, daß den Deutschen seit der Hyperinflation von 1923 Grund und Boden als die einzig wirklichen Werte gelten – dann begreift man, warum Nachfrage und damit die Preise für Häuser und Wohnungen, und in ihrem Kielwasser auch die Mieten, seit 2011 steigen wie nie zuvor. 

Der letzte Faktor in diesem Konzert an Ursachen ist der, daß die unterirdische Zinspolitik der EZB dazu führen mußte, daß die Hypothekenzinsen auf nach dem Zweiten Weltkrieg unbekannte Tiefststände fielen, was den Immobilienmarkt nochmals angeheizt hat, weil kaufen heute oft billiger ist als mieten. 

Und nun mehren sich die Stimmen derer, die verlangen, die Politik müsse im heißgelaufenen Immobilienmarkt intervenieren, um die Mieten und Hauspreise bezahlbar zu halten. Als ob der Staat das überhaupt noch könnte! Die EZB hat, mit der steten Unterstützung der Bundesrepublik, kräftig an der Zinsschraube gedreht, um Spanien, Portugal, Griechenland und Italien zu retten und die EU zusammenzuhalten. Das ist gelungen – aber eben dieser massive Eingriff in die Geldpolitik hat den Preisanstieg auf dem deutschen Immobilienmarkt ausgelöst, den nun ausgerechnet diejenigen am meisten kritisieren, die Spanien und Griechenland unbedingt im Euro halten wollten.