© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/17 / 24. November 2017

Robuste Führung
Frankreich: Die Basis seiner Bewegung murrt, doch Präsident Macron schert die innerparteiliche Demokratie wenig
Friedrich-Thorsten Müller

Mit Spannung erwarteten die Macron-Anhänger den ersten Parteitag der neuen Mitte-Links-Regierungspartei La République en Marche (REM) in Lyon. Bereits im Vorfeld hatten 100 Mitglieder spektakulär über die Medien ihren kollektiven Austritt aus der nach der Präsidentschaftswahl von einer Bewegung zur Partei gewordenen Organisation erklärt. 

Mit einem offenen Brief an den Radiosender France-Info führte die bereits vom Parteiausschluß bedrohte wortführende Aktivistin Tiphaine Beaulieu den „Mangel an innerparteilicher Demokratie“ als Grund für diesen Schritt an. Geradezu als Bestätigung für diesen Vorwurf wurde Regierungssprecher und Macron-Intimus Christophe Castaner bei dem Parteitag per Handzeichen und ohne Gegenkandidat zum Vorsitzenden gewählt. 

Auch die weitere Besetzung des Parteipräsidiums verlief in eng vorgezeichneten Bahnen: so konnte bei der Wahl der Posten nicht zwischen einzelnen Kandidaten, sondern nur zwischen insgesamt vier Listen entschieden werden.

Marine Le Pen amüsiert sich über Macrons „Sekte“ 

Noch ungewöhnlicher als die Wahl des Präsidiums war allerdings im Vorfeld die Auswahl der Delegierten für den Nationalrat genannten Parteitag. Die aus einer im April 2016 gegründeten bürgernahen politischen Bewegung hervorgegangene 380.000-Mitglieder-Partei lud neben Hunderten Mandatsträgern lediglich 200 per Los ausgewählte Mitglieder als Basisvertreter nach Lyon.

 Damit war sichergestellt, daß Emmanuel Macron und das neue „Establishment“ der République en Marche ihre Agenda ohne Überraschungen durchsetzen konnten. Ein Vorgehen, das auch sonst innerparteilich auf viel Kritik gestoßen ist und von der Front-National-Vorsitzenden Marine Le Pen ironisch mit den Zuständen innerhalb einer „Sekte“ verglichen wurde.

Der Umgang Macrons mit der Basis fügt sich damit nahtlos in seine sonstige Regierungspolitik. Der einstige „Musterschüler“ möchte durch autoritäres Durchregieren auch in seiner Präsidentschaft „alles richtig machen“ und – wie er es sieht – faule Kompromisse mit Gewerkschaften oder Parteiflügeln möglichst vermeiden. 

So hatte er im September gegen den Protest von zunächst Hunderttausenden Demonstranten eine ambitionierte Arbeitsmarktreform durchgesetzt, die vor allem den Kündigungsschutz lockert und damit Frankreichs Wirtschaft eine neue Dynamik verleihen soll. Eine Maßnahme, die von der französischen Wirtschaft offenkundig mit einem Vertrauensvorschuß erwartet worden ist: So stieg das französische Bruttoinlandsprodukt mit 2,2 Prozent im dritten Quartal nach Angaben des Statistikamtes Insee so kräftig wie seit 2011 nicht mehr. 

Allerdings war dieser Zuwachs noch ohne Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit, die im selben Zeitraum um 0,2 Prozentpunkte auf 9,4 Prozent gestiegen ist. Laut dem Markit-Einkaufsmanagerindex sind aber auch dort baldige Erfolge nicht unwahrscheinlich, befindet sich Frankreich im Moment doch auf „robustem Wachstumskurs“. Und selbst das Ziel der Einhaltung der europäischen Defizitobergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) scheint, dank des Kunstgriffs einer einmaligen Sondersteuer für Großunternehmen, zumindest für 2017 in Reichweite.

Macrons größte Sorge stellt indes weder die am Boden liegende Opposition, die sich vom Durchmarsch der REM bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in diesem Jahr noch nicht wieder erholt hat, noch möglicher innerparteilicher Widerstand dar. Die größte Unbekannte für ihn sind die instabilen politischen Verhältnisse in Deutschland, durch das von ihm bedauerte Scheitern von „Jamaika“. Ein möglicher Abgang oder die Schwächung von Bundeskanzlerin Merkel könnte seine ambitionierten bis übergriffigen Pläne in Sachen Bankenunion und europaweiten Steuern, damit wie er sagt, „der Euro funktionieren kann“, endgültig zunichte machen.