© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/17 / 17. November 2017

Fünfzig Tonnen Nachschub für Lettow-Vorbecks Kämpfer
Im November 1917 startete eine kühne Versorgungsmission mit einem Zeppelin aus Berlin nach Deutsch-Ostafrika, die über dem Sudan abgebrochen wurde
Thomas Schäfer

Im Herbst 1917 konnte sich die Kaiserliche Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika unter Paul von Lettow-Vorbeck kaum noch der angreifenden Briten, Südafrikaner, Belgier und Portugiesen erwehren. Schuld hieran war nicht zuletzt der Mangel an Munition und Medikamenten. 

In dieser Situation machte der tropenerfahrene Mediziner Maximilian Zupitza vom Reichskolonialamt den Vorschlag, die Kämpfer auf dem Luftwege zu versorgen. Das fand dann am 4. Oktober 1917 auch die Zustimmung des Kaisers, woraufhin das Marine-Luftschiff L 57 für derartige Missionen vorbereitet wurde. Allerdings brannte das Gefährt kurz darauf während einer Testfahrt aus. Deshalb befahl das Reichsmarineamt, das in Bau befindliche Luftschiff L 59 um dreißig Meter auf 226 Meter zu verlängern, damit es in der Lage war, bis zu fünfzig Tonnen Fracht – das entsprach der Ladung von vier Eisenbahnwaggons – nach Ostafrika zu transportieren. Außerdem sollten Außenhülle und Aluminiumgerüst so gestaltet werden, daß man daraus Zelte, Mullbinden, Sendemasten und andere nützliche Dinge herstellen konnte. Das heißt, eine Rückkehr des Luftschiffes nach Deutschland stand nicht auf der Agenda. Daher ging das Kommando auch an Kapitänleutnant Ludwig Bockholt, weil der noch am ehesten entbehrlich schien.

Das ganze Vorhaben lief unter höchster Geheimhaltung (Codename: „China-Sache“), die jedoch mehrmals nicht eingehalten wurde, so daß der britische Nachrichtendienst über alle wichtigen Details informiert war und für die Bereitstellung von Abfangjägern in Ostafrika sorgte.

Anfang November 1917 überführte Bockholt L 59 von Staaken bei Berlin nach Jamboli im Südosten Bulgariens. Dem folgten am 13. und 16. des Monats zwei Startversuche, die jedoch wegen schlechten Wetters beziehungsweise irrtümlichen Beschusses durch das verbündete osmanische Militär scheiterten. Erst am 21. November ging dann alles glatt und das Luftschiff konnte seine Nonstop-Fahrt nach Süden antreten. An Bord befanden sich nun 387.900 Schuß Munition sowie 2,6 Tonnen Medikamente bzw. Verbandsmaterial, 9.160 Liter Wasser, 28.000 Liter Benzin und weitere Versorgungsgüter. Dazu kam die Besatzung von 22 Mann. Zu dieser gehörte auch Feldwebel-Leutnant Emil Grussendorf, der über dem Makonde-Hochland im Südosten des heutigen Tansania mit dem Fallschirm abspringen sollte, um den Kontakt zu Lettow-Vorbeck herzustellen, welcher nicht über Funk erreichbar war und daher keine Kenntnis von der geplanten Aktion hatte.

Briten besetzten Landestelle in Deutsch-Ostafrika

Während L 59 in etwa tausend Meter Höhe über Smyrna, Kos, Kreta, Sidi Barrani an der nordafrikanischen Küste, die Oase Siwa in Ägypten und Wadi Halfa im Norden des Sudan hinwegfuhr, besetzte der Feind das Zielgebiet auf dem Makonde-Plateau und brachte die Schutztruppe auch sonst immer stärker in die Defensive. Deshalb erteilte der Admiralstab schließlich am 23. November um 0.45 Uhr über die Großfunkstation Nauen den Befehl zur Umkehr. Zu diesem Zeitpunkt befand sich L 59 rund 200 Kilometer westlich von Khartum.

Das wohl effektivste Transportluftschiff des Ersten Weltkrieges meisterte auch die Rückfahrt nach Jambol, wo es dann am Morgen des 25. November 1917 nach 95 Stunden ohne jeglichen Zwischenstopp eintraf. Die so zurückgelegte Strecke betrug 6.757 Kilometer – ein Rekord, der erst im November 1935 von LZ 127 „Graf Zeppelin“ übertroffen wurde. L 59 unternahm später noch einige Angriffsfahrten im Mittelmeerraum und stürzte schließlich am 7. April 1918 während eines Unternehmens gegen Malta über der Straße von Otranto ab, wobei es keine Überlebenden gab.