© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/17 / 17. November 2017

Ausgelöscht
Kevin Spacey: Nach Vorwürfen der sexuellen Belästigung ist der Schauspieler für die Filmbranche erledigt
Thorsten Hinz

Mit 58 Jahren hat der US-amerikanische Schauspieler und zweifache Oscar-Preisträger Kevin Spacey längst nicht das Limit seiner künstlerischen Möglichkeiten erreicht, trotzdem ist er beruflich am Ende. Als übergriffiger Sexomaniak öffentlich gebrandmarkt, bleiben ihm die Filmsets künftig verwehrt. Der Versuch, mildernde Umstände geltend zu machen, indem er sich als homosexuell outete, verfing nicht. Jetzt läßt der Regisseur Ridley Scott aus seinem neuen Film „Alles Geld der Welt“ sämtliche Szenen, in denen Spacey auftritt, herausschneiden und mit einem anderen Schauspieler neu drehen. Der Streaming-Dienst Netflix, in dessen Erfolgsserie „House of Cards“ Spacey die Hauptrolle des intriganten Politikers Frank Underwood spielte, hat sich von ihm getrennt.

Mutmaßlich hat der gefallene Superstar die Macht, die sein Ruhm ihm verlieh, mißbraucht, doch es ist problematisch, wenn Anklage und Urteil identisch werden. Ein rechtsförmiges Verfahren hat es im Fall Spacey jedenfalls bislang nicht gegeben. Auch muß ein großer Künstler nicht gleichzeitig ein großartiger Mensch sein; oft sind die problematischen Typen viel interessanter als die keimfreien. Bestürzend ist, daß eine Gesellschaft, die sich für aufgeklärt hält, zwischen Hosianna und Kreuzigung keine Zwischenstufen kennt. Und im Einzelfall wäre zu fragen, ob nicht eine Stimmungskonjunktur genutzt wird, um 15 Minuten Welt- und Opferruhm zu erhaschen.

Die Entfernung Spaceys kurz vor der für die zweite Dezemberhälfte geplanten Filmpremiere hat zunächst kommerzielle Gründe; seine Person bedeutet jetzt Kinokassengift. Doch sie ist auch die Vorstufe zur „Damnatio memoriae“, zur „Verurteilung des Andenkens“, der demonstrativen Tilgung der Person aus dem öffentlichen Bewußtsein. Die nächste Stufe wäre mit der Verbannung früherer Filme in den Giftschrank und ihrer digitalen Nachbereitung erreicht. Dann befände man sich tatsächlich auf dem Niveau der kommunistischen Parteien, die Abweichler und Häretiker aus historischen Fotos wegretuschierten. Auch Tugendterror kann totalitär wirken!