© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/17 / 17. November 2017

Schlappe für Muttis Mädchen
Machtpoker in der Konrad-Adenauer-Stiftung: Mit dem Rückzug Annette Schavans hat Angela Merkel eine empfindliche Niederlage erlitten
Paul Rosen

Es klingt wie ein Dementi, tatsächlich ist es wohl eher eine Kapitulation: „Für den Vorsitz der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) stehe ich nicht zur Verfügung“, sagte die frühere Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) der Schwäbischen Zeitung. „Meine Aufgaben als Botschafterin beim Heiligen Stuhl nehme ich gerne und mit Freude wahr. Deshalb bin ich auch nicht auf der Suche nach anderen Tätigkeiten.“

Besonders der letzte Satz widerspricht allen Berichten, die jüngst im politischen Berlin die Runde machten. Denn laut denen soll die – parteiintern wegen ihres Postens in der Ewigen Stadt als „Äbtissin“ bespöttelte 62jährige – in Deutschland jüngst auf Werbetour in eigener Sache gewesen sein, um Chefin der CDU-nahen Stiftung zu werden (JF 42/17). 

Das hatte bei zahlreichen der 3.000 aktuellen und 13.500 ehemaligen Stipendiaten der KAS für erheblichen Unmut gesorgt. Denn 2013 hatte die Universität Düsseldorf festgestellt, Schavan habe in ihrer Dissertation „systematisch und vorsätzlich“ Leistungen vorgegaukelt, „die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hatte“. Schavan klagte vergeblich gegen den Entzug des Doktortitels und gilt seitdem als Studienabbrecherin. Daß ausgerechnet sie einer Einrichtung zur Förderung angehender Wissenschaftler vorstehen sollte, galt vielen als anstößig. 

Dabei sind bei der seit 2010 vom ehemaligen Europa-Politiker Hans-Gert Pöttering geleiteten KAS wichtige Posten in Händen von Schavan-Getreuen. Der Generalsekretär der Stiftung, Michael Thielen, war unter ihr Staatssekretär, Susanna Schmidt, Leiterin der Begabtenförderung in der KAS, war Abteilungsleiterin für Strategie und Grundsatzfragen im Bildungsministerium. 

Es war Kanzlerin Angela Merkel, die ihrer Kaffeekränzchen-Freundin und Ratgeberin Schavan zum Exil auf den hochdotierten Botschafterposten in Rom verholfen hatte. Mächtige Freunde ersetzen eben jedes Diplom. Und auf die Regentin berief sich Schavan bei ihrem Heimkehr-Versuch. Doch dann erschien unerwartet ein neuer Spieler auf dem Platz: Norbert Lammert. In der Presse tauchte ein Zitat des ehemaligen Bundestagspräsidenten auf: „Ich stehe für den Vorsitz der Adenauer-Stiftung zur Verfügung.“ 

Diesen Schachzug soll Bernhard Vogel organisiert haben. Der Ex-Miniterpräsident von Thüringen ist Ehrenvorsitzender der Stiftung, zieht dort noch immer die Fäden – und gilt nicht unbedingt als Freund der Kanzlerin. Ihm gefällt offenbar der unabhängige Lammert, der nicht als Mann Merkels gilt und nicht jedes Detail im Kanzleramt abspricht wie früher Schavan. Die Kanzlerin wiederum nimmt Lammert übel, daß er Abgeordneten aus dem Regierungslager Redezeit gab, die sich gegen ihre Euro-Rettungspolitik stemmten.  

Mit ihrer Äußerung vom Wochenende hat Schavan den Machtpoker um den Spitzenposten in der KAS nun beendet. Ihr Besuch im deutschen Südwesten diente fortan nicht mehr der künftigen Karriere. Stattdessen erhielt die Botschafterin die Goldene Schwarzwurst für ihre Verdienste um die baden-württembergische CDU und suchte Tannenbäume für ihre römische Residenz aus. Die Chancen, daß Annette Schavan als Botschafterin am 3. Dezember in der Via di Villa Sacchetti im vornehmen römischen Stadtteil Parioli die erste Adventskerze anzünden wird, stehen gut. 

Wählt die Mitgliederversammlung der Adenauer-Stiftung, ein erlauchtes Gremium von etwa fünf Dutzend ehemaligen CDU-Granden, am 1. Dezember Norbert Lammert, käme dies für Merkel einer Niederlage gleich; die zweite parteiinterne wohlgemerkt, seitdem sich der CDU-Parteitag ihrem ausdrücklichen Willen widersetzte und sich gegen die doppelte Staatsbürgerschaft entschied.