© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/17 / 17. November 2017

Jasmin Kosubek macht im Staatssender RT Deutsch ein interessantes Programm
Anders als die anderen
Ronald Berthold

Sie geht dorthin, wo ihre Kollegen der großen Sender vermintes Gelände sehen. Deshalb trägt Jasmin Kosubeks Magazin des russischen Auslandsnachrichtensenders RT Deutsch den Titel „Der fehlende Part“. Sichtweisen, die woanders tabuisiert werden, erhalten in ihrer Sendung große Aufmerksamkeit. Die 28jährige gibt Menschen ein Forum, mit denen Journalisten sonst kaum, dafür vielmehr über sie sprechen.

Ein Beispiel: Während der Spiegel das Buch des verstorbenen Historikers Rolf Peter Sieferle „Finis Germania“ zensurartig von seiner Beststellerliste strich, besuchte Kosubek den Verleger Götz Kubitschek und interviewte ihn nicht unkritisch, aber unaufgeregt zu dem Skandal.

Mit ihrer professionellen Moderation und den unkorrekten Themen erreicht die im schwäbischen Reutlingen geborene Tochter eines Deutschen und einer Brasilianerin inzwischen ein in die Hunderttausende gehendes Publikum. Ihre Sendungen werden vor allem über die sozialen Netzwerke geteilt. Die studierte Betriebswirtin arbeitet seit drei Jahren für den deutschen Ableger des russischen TV-Netzwerks „Russia Today“.

Schon seit Beginn steht der vom Kreml finanzierte Sender im Fadenkreuz der Medien. Nach Ansicht der Zeit bietet der Mitbewerber einen „wilden Mix aus gezielten Manipulationen, obskuren Theorien und fragwürdigen Experten“, der „ein Paralleluniversum schafft“. Dabei blendet das Blatt aus, daß ein mediales Paralleluniversum erst entstehen kann, wenn im eigentlichen Universum die Parallelität verlorengeht. Der faire Journalismus – beide Seiten zu hören und gleichberechtigt darzustellen – gehört der Vergangenheit an und hat eine Lücke geschaffen, in die Jasmin Kosubek stößt.

Mitte Oktober hatten bereits 10.000 Menschen Kosubeks Facebook-Seite gelikt. Aus diesem Anlaß forderte sie öffentlich mehr Ausgewogenheit: „Ich weiß nicht, warum man sich immer für die eine oder andere Position definitiv und für immer entscheiden muß. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Grenzen dicht oder grenzenlose Migration – Europa, entweder dafür oder dagegen.“ Sie wünsche sich dagegen, daß „wir wieder aufeinander zugehen und uns zuhören“. Daß der attraktiven Journalistin immer mehr zuhören, hat auch mit der öffentlichen Diskursverweigerung zu tun – nicht nur bei den Themen, die sie in ihrem Facebook-Post anspricht.

An der gewachsenen Bedeutung kam selbst Außenminister Sigmar Gabriel nicht vorbei. Vier Tage vor der Bundestagswahl gab er Kosubek ein ausführliches Interview. Anders als bei den zähen Sommerinterviews der Öffentlich-Rechtlichen bestach das Gespräch durch lebendigen Dialog. Kosubek unterbrach den Politiker mehrfach charmant. Eigentlich müßte das TV-Talent etliche Angebote großer Sender erhalten. Doch dafür steht die kritische Journalistin zu sehr außerhalb dessen, was im deutschen Fernseh-Universum möglich ist.