© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/17 / 10. November 2017

„Der Feind in unseren Reihen“
Kriminell, disziplinlos, leistungsschwach: Berlins künftige Ordnungshüter sorgen für einen handfesten Skandal / Beschwerden über Polizeischüler mit Migrationshintergrund
Martina Meckelein / Sandro Serafin

Rund 50 Journalisten stehen – kurzfristig eingeladen – mit Kameras und Mikrofonen auf dem Gelände der Berliner Polizeiakademie. Grund des Auftriebs: „Die Voicemail“, sagt Thomas Neuendorf, Vize-Pressesprecher der Polizei. 

Dumm. Frech. Gefährlich. Korrupt. Die Schilderungen eines Dozenten an der Einrichtung in Berlin-Spandau machen Angst. Der Mann hatte sich seinen Ärger über eine Klasse mit 16- bis 18jährigen Polizeischülern Luft gemacht. Eine Audiodatei mit seiner Schilderung war ins Internet gestellt worden, berichtete die Welt: 

„Hab heute Unterricht gehalten an der Polizeischule, habe so etwas noch nie erlebt, der Klassenraum sah aus wie Sau, die Hälfte Araber und Türken, frech wie Sau, dumm, konnten sich nicht artikulieren. (...) Deutsch ging gar nicht, ick hab noch nie so etwas erlebt. Ich bin so schockiert und hab wirklich Angst vor denen, ich glaube, die Ausbilder auch, denn wenn sie die rauswerfen, dann stehen die vor der Tür und machen die Autos kaputt. Es wird ’ne Zwei-Klassen-Polizei, die korrupt nur sein wird. (...) Das sind keine Kollegen, das ist der Feind in unseren Reihen.“

Ein paar Tage darauf berichtet die Berliner Zeitung von einem Brief, den ein ungenannter LKA-Beamter an Polizeipräsident Klaus Kandt geschrieben haben soll. Demnach hätten sich Polizeianwärter geweigert, am Schwimm-unterricht teilzunehmen, weil dort zuvor womöglich eine „Unreine“ geschwommen sein könnte. Bewerber aus arabischen Großfamilien würden – trotz Strafakte – in der Polizei angenommen und dies mit Wissen der Polizeiführung. Polizeipräsident Kandt bezeichnete die Vorwürfe als diffamierend.

„Bei der Einstellung der Polizeischüler ist eines der Probleme, daß die Sicherheitsüberprüfungen nur noch sehr lasch durchgeführt werden“, erklärt ein Beamter der JUNGEN FREIHEIT. „Das heißt, daß auch der Leumund und die Familie nicht genügend abgeklopft werden, vermutlich aus rein personellen Engpässen.“

16.719 Polizisten arbeiten in Berlin, am schlechtesten bezahlt von allen Kollegen bundesweit , so die Gewerkschaft der Polizei. Jahrelang wurde Personal eingespart – jetzt fehlt es. Wurden früher nur 400 Beamte eingestellt, sind es dieses Jahr 1.200 Polizeischüler. „Die nehmen alles, was nicht bei Drei auf den Bäumen ist“, so ein Polizeibeamter zur JF. Dadurch sinke das Leistungsniveau. Die Schüler könnten schlecht Deutsch, bräuchten Nachhilfeunterricht. 

Wie viele von ihnen einen Migrationshintergrund haben, kann nur geschätzt werden – Datenschutz. „Allerdings wird unter der Hand schon eine Strichliste geführt“, sagt der Beamte. 2016 sollen in Berlin 30 Prozent mit Migrationshintergrund eingestellt worden sein, dieses Jahr seien es bis 40 Prozent, eine Polizeischülerin sagte dem Berliner Kurier: „knapp 50 Prozent“. Ihre Schilderungen sind erschütternd: „Wir Frauen werden ständig angemacht, angeglotzt. Auch bei den Deutschen sind welche dabei, die extrem aus der Reihe fallen. Und ich finde, daß einige Ausbilder genauso schlimm sind. Die Zustände sind furchtbar, aber die kehren hier seit Jahren alles unter den Teppich.“ Und sie berichtet weiter: „Die können sich nicht vernünftig artikulieren. Da heißt es immer nur: ‘Bruder, Digga, Alter.’“

Sinn der Einstellung von Anwärtern mit Migrationshintergrund? Der Berliner Senat will, daß die Behörden Spiegelbild der Gesellschaft sind. Den Vorwurf, Familienmitglieder arabischer Großfamilien würden eingestellt, wiegelt Neuendorf ab. „Es gibt keine Sippenhaft. Wenn Ihr Onkel ein Mörder wäre, sollte ich Sie deshalb ablehnen?“ fragt er im Gespräch mit der jungen freiheit. „Wir machen uns nicht die Mühe, alle 18.000 Bewerber zu überprüfen, aber 1.800 werden überprüft.“ Laut Neuendorf wird ein Bundeszentralregisterauszug abgerufen und weitere polizeiliche Datenbestände. „Wer schwere Straftaten verübt, muß gehen. Die Behauptung, die Polizei ist unterwandert, ist nicht haltbar.“ Nun kam jedoch heraus: Ein Polizeischüler soll Kontakte zu einem Mitglied des Miri-Clans haben, das zudem der „Guerilla Nation“ angehört, einer arabisch-dominierten, Rockerclub-ähnlichen „Streetgang“. Der angehende Schutzmann soll außerdem während einer Razzia in einer Bar gelogen und behauptet haben, rein zufällig in dem Lokal gewesen zu sein. „Anstatt zu deeskalieren, soll der Polizeianwärter die Verhältnismäßigkeit der Überprüfung am Ort lauthals in Frage gestellt haben“, so der Vorwurf Medienberichten zufolge.

„Wir geben Leib und       Seele für unseren Beruf“

Dabei zeichnete sich diese Entwicklung schon vor Jahren ab: 2003 arbeitete ein Polizeikommissar mit Migrationshintergrund nebenher als Türsteher in einer Disko seines Onkels. Nachdem dort ein SEK-Beamter von einem Libanesen erschossen worden war und der Freizeittürsteher seinen Nebenjob nicht aufgeben wollte, wurde er entlassen. Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin warnte schon 2014 vor der Aushöhlung der Ausbildungsstandards der Polizei: „Das wird man nicht sofort merken, dafür aber in zehn oder 20 Jahren um so mehr.“ Sarrazin bezog sich auf „türkisch- und arabischstämmige Bewerber für die Polizeilaufbahn“, die mit „Sonderbedingungen begünstigt“ würden.

Sprecher Neuendorf gibt zu: „In der Tat haben wir Straftäter, die kleine Straftaten begangen haben, Sachbeschädigung und Diebstahlsdelikte. Natürlich haben wir Probleme mit der Disziplin, und natürlich herrscht hier nicht immer optimales Verhalten.“ In drastischeren Worten schildert das ein Polizist gegenüber der JF: „Fleiß, Höflichkeit oder Pünktlichkeit, die können ja nicht einmal die Uhr lesen – Sekundärtugenden sind nicht gefragt.“ 

Die Liste der allein 2017 bekanntgewordenen Verfehlungen: Im Januar spielte ein Polizeischüler in einem Pornofilm mit. Er wurde dennoch verbeamtet. Im März verkaufte Polizeischüler Muhammed I. gestohlene Kameras direkt aus dem Kofferraum seines Fahrzeugs vor der Akademie. Er wird bei einem Scheinkauf durch verdeckte Ermittler festgenommen. Im April werden zwei Anwärter festgenommen. Sie hatten an der Akademie mit Drogen gehandelt. Zu Recht monieren Gewerkschaftler, daß alle Kritiker bisher anonym blieben. Aber es scheint auch ein Klima der Angst und des Mißtrauens in der Polizei zu herrschen, das die Beamten dazu veranlaßt, sich nicht offen an die Vorgesetzten zu wenden. In der Kritik vor allem: Margarete Koppers, stellvertretende Polizeipräsidentin, parteilos, aber offenbar den Grünen nahestehend. Die Umstrukturierung von der Polizeischule zur -akademie ist „ihr Baby“. Deutschkurse und Staatsrechtlehre – Kernfächer – wurden zurückgefahren. Dafür gehen die Anwärter in Praktika auf die Wachen, ersetzen dort fehlendes Personal.

Hinzu kommt die Schießstand-Affäre: Seit Jahren soll Koppers gewußt haben, daß die Lüftungsanlagen marode waren. Polizisten sollen giftigen Pulverdämpfen ausgesetzt gewesen sein, Krebserkrankungen sind belegt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Körperverletzung im Amt. Ebenfalls soll das Zeugnis eines hochrangigen Beamten aus der Polizei geändert worden sein – zu seinen Ungunsten. Das Bundesverwaltungsgericht sprach von einem rechtswidrigen Eingriff in ein laufendes Verfahren. Widersprüche bei der Verjährung der Ansprüche der Überstundenzahlung der Feuerwehr. Koppers soll sich zudem von einem Anwalt vertreten lassen, der auch eine arabische Großfamilie vertritt, heißt es in dem anonymen Brief des LKA-Beamten an Präsident Kandt.

Und da wäre noch Koppers eigene Karriere. Sie soll Generalstaatsanwältin werden. Das Auswahlverfahren begann 2015. Den Gesprächen einer Auswahlkommission blieb sie fern – sie war krankgeschrieben. Nach der Berlin-Wahl wurde die Kommission neu besetzt – Koppers bekam prompt die Stelle. Sollte sie ernannt werden, würden ihr die Ermittlungen im Schießstand-Verfahren unterstehen.

Am Freitag durften die Journalisten in der Akademie mit dem stellvertretenden Klassenlehrer der betroffenen Klasse, Polizeioberkommissar Rainer Dannat, und Schülern der Parallelklasse sprechen. Die in die Schlagzeilen geratene Klasse hatte frei. Dannat versichert, seine Schüler seien „durchweg hochmotiviert“. Ein Polizeianwärter mit Migrationshintergrund sagt: „Wir geben Leib und Seele für unseren Beruf.“ Zum Abschluß beschreibt Dannat den Umgang zwischen Schülern und Lehrern als „respektvoll, wertschätzend, diszipliniert“.

Die Berliner Oppositionsparteien CDU, AfD und FDP haben Vizepräsidentin Koppers vor den Innenausschuß vorgeladen. Im Intranet der Behörde haben der Polizeipräsident und seine Stellvertreterin bekräftigt: „Wir stehen zu der neuen Vielfalt in unserer Behörde, weil wir sie als Bereicherung empfinden.“