© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/17 / 03. November 2017

„Wir wünschen keine Nachbarschaft“
Linksextremismus: Mit Pflastersteinen, Brandsätzen und Buttersäure attackieren vermummte Täter das Haus der Initiative „Ein Prozent“ in Halle
Björn Harms

Sie kamen in der Nacht zu Mittwoch kurz nach 23 Uhr. Etwa 25 bis 30 Angreifer warfen vergangene Woche Pflastersteine gegen Fenster und Fassade eines Hauses der rechten Initiative „Ein Prozent“ in Halle an der Saale. Zudem zündeten die mutmaßlich linksextremen Täter mehrere Mülltonnen an, beschädigten die Haustür und schütteten Buttersäure in den Hausflur.

„Die Täter attackierten gezielt die Fenster im ersten Stock, da nur dort noch Licht brannte“, sagte der Sprecher der Identitären Bewegung Halle, Mario Müller, der JUNGEN FREIHEIT. Er befand sich zusammen mit zwei weiteren Personen in dem Haus, als der Angriff stattfand. „Wir hörten zunächst nur ein Bohren an der Tür, dann flogen auch schon die ersten Pflastersteine.“ Am Ende zählte er rund hundert Stück. Zudem hätten die Angreifer die Fenster mit Farbe aus umgebauten Feuerlöschern besprüht, mit Bengalos die Sicht vernebelt und Feuer gelegt.

Staatsschutz ermittelt     wegen Landfriedensbruchs

Auf Videoaufnahmen seien vier mit Maleranzügen gekleidete und vermummte Personen zu sehen gewesen, die kurz davor die Überwachungskameras mit Farbe besprüht hatten. „Das war eine ‘Hit and Run-Aktion’. Die Angreifer haben gezielt Schwerverletzte in Kauf genommen“, betonte Müller. Nachdem das Haus bereits in der Vergangenheit wiederholt attackiert worden war, tauschten die Bewohner die Fenster durch Sicherheitsscheiben aus – was sich auszahlte, denn den Angreifern gelang es nicht, die Fenster einzuwerfen. „Wir können von Glück reden, daß es keine Verletzten oder Tote gab.“ Bereits nach einem Brandanschlag im August ermittelt die Polizei wegen schwerer Brandstiftung.

Der Angriff habe nur wenige Minuten gedauert, erzählte das Identitären-Mitglied. Lange bevor die Polizei eintraf, seien die Täter geflüchtet. „Der Angriff war generalstabsmäßig organisiert“, ist sich Müller sicher. Zudem hätten die Angreifer Parolen wie „Nazis raus“ oder „Alerta Alerta Antifascista“ gebrüllt, was keine Zweifel mehr an deren politischem Hintergrund zulasse.

Die Polizei bestätigte auf Nachfrage der JF den Angriff auf das Haus. Demnach seien von 20 bis 30 Personen zahlreiche Steine gegen das Gebäude geworfen und die Fassade mit einem Feuerlöscher besprüht worden. Im Hausflur hätten die Täter eine übelriechende Flüssigkeit freigesetzt. Zudem seien mehrere Mülltonnen mit Pyrotechnik in Brand gesetzt worden.

An drei in der Straße geparkten Fahrzeugen stellte die Polizei Sachbeschädigungen fest. Die Täter seien nach dem Angriff geflüchtet. Der Polizeiliche Staatsschutz der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd hat Ermittlungen wegen schweren Landfriedensbruchs und Brandstiftung aufgenommen.

In einem Rundbrief hatten sich zuvor rund 120 Anwohner, Institutionen und Geschäftsinhaber gegen die Bewohner der Immobilie ausgesprochen. Unter ihnen befand sich auch der frühere Arbeitsminister Sachsen-Anhalts, Norbert Bischoff (SPD). Sie antworteten auf ein Schreiben der Identitären, in dem diese den Willen zu einer guten Nachbarschaft betont und zu Gesprächen über das „Tabuthema Masseneinwanderung und Islamisierung“ eingeladen hatten.

„Wir wünschen ausdrücklich keine Nachbarschaft mit Ihnen“, hieß es in der Antwort. „Wer andere Menschen ausgrenzt, bedroht und in Lebensgefahr bringt, kann nicht für sich eine gute Nachbarschaft beanspruchen. Entgegen Ihrer Beteuerungen, für die soziale Existenz der Menschen eintreten zu wollen, meinen Sie nur das Wohl bestimmter Teile der deutschen Bevölkerung.“