© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/17 / 27. Oktober 2017

Grüße aus Prag
Veto gegen Brüssel
Václav Klaus

Andrej Babiš’ Sieg war in Tschechien erwartet worden und ist ein Ausdruck der tschechischen politischen Situation. Er ist ein Ergebnis vollkommenen Versagens traditioneller politischer Parteien, besonders der Sozialdemokraten. 

Die bis heute regierenden Sozialdemokraten haben zwei Drittel ihrer Wähler im Vergleich zu den letzten Wahlen verloren. Das ist ein Absturz ohne Präzedenz in unserer jüngsten politischen Geschichte, dazu ohne einen konkreten Grund (oder Skandal). 

Die Bürger haben eindeutige Unzufriedenheit gezeigt, wohin unser Land und die EU sich bewegen. Politische Parteien, welche eindeutig „pro Brüsellisch“ gewesen sind, den Euro als unsere Währung annehmen wollten und sich dem harten Kern der EU anschließen wollten, haben nur zwischen 5 und 7 Prozent der Stimmen erhalten. Gute Ergebnisse haben dagegen Parteien bekommen, die keine Angst hatten, tschechische Interessen zu verteidigen und solche, die progressistische, linksorientierte Politik, die uns vom Westen aufgezwungen wird, ablehnten.

Großer Sieger ist Babiš’ Bewegung ANO (deutsch: „Ja“). Der 63jährige wird als der tschechische Berlusconi bezeichnet – ein Milliardär, Businessman mit riesigem Firmenimperium in verschiedenen Wirtschaftszweigen, Medienmagnat, ein Mensch mit verschiedenen ungeklärten Anschuldigungen seitens des Gerichts. Zu seinem Sieg verhalf ihm, daß fast alle Parteien und Medien versuchten, ihn durch Kriminalisierung seiner Wirtschaftsaktivitäten aus dem politischen Kampf zu entfernen. Ein fataler Fehler, er wurde dadurch zum Märtyrer erhoben. 

Die Wahlen in unserem Land haben kein Ende der Demokratie herbeigeführt, obwohl es einige Kritiker behaupten. Das Ergebnis ist für viele einschließlich mir kein Sieg und keine Freude, aber auf jeden Fall zeigt es deutlich, daß die Menschen mit den heutigen Umständen nicht zufrieden sind. Ich muß trotzdem nochmals erwähnen, daß es ein klarer Protest gegen die Entwicklung der EU gewesen ist und damit verbundene Zukunftsaussichten, mehr als Kritik gegen die einheimische Situation.






Václav Klaus war von 1992 bis 1998  Ministerpräsident und von 2003 bis 2013 Staatspräsident Tschechiens.