© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/17 / 27. Oktober 2017

Michael Kretschmer. Der CDU-Konservative wird neuer Ministerpräsident in Sachsen.
Für Fahne und Hymne
Paul Leonhard

Der 42jährige Christdemokrat Michael Kretschmer soll verhindern, daß die AfD auch bei der Landtagswahl in Sachsen stärkste Kraft wird. Knapp zwei Jahre hat er dafür Zeit, sollte er im Dezember wie vorgeschlagen Nachfolger des amtsmüden Ministerpräsidenten und Landesparteichefs Stanislaw Tillich werden.

Dabei stand Kretschmer noch am Abend der Bundestagswahl vor den Scherben seiner politischen Karriere. Die Sachsen-Union, deren Generalsekretär er seit zwölf Jahren ist, hatte zum ersten Mal ihre Mehrheit verloren. Und Kretschmers eigene Wähler, die ihm 2013 noch 49,6 Prozent der Erststimmen beschert hatten, versagten ihm die Gefolgschaft und wählten Tino Chrupalla (AfD) als Direktkandidaten. Es war die Wut auf die Kanzlerin, die den gebürtigen Görlitzer, der siegesgewiß auf eine Absicherung über die Landesliste verzichtet hatte, nach 15 Jahren das Mandat kostete. Dabei hatte dieser nie verhehlt, wenig von Merkels Politik des Aussitzens und der jähen Wendungen zu halten.

Kretschmer ist Berufspolitiker aus Leidenschaft. Gern erzählt er, daß er während der Friedensgebete im Herbst 1989 in die Politik gefunden habe. Die Junge Union wurde sein politisches Zuhause. Als der 27jährige Wirtschaftsingenieur 2002 als Bundestagskandidat seiner Vaterstadt antrat, konnte er, der wegen seiner damals noch leuchtend roten Haare den Spitznamen „Pumuckl“ erhalten hatte, auf die Unterstützung von Bundeskanzler Kohl bauen, der eigens nach Görlitz gekommen war. Wie der Kanzler der Einheit wollte Kretschmer den Aufbau Ost zu seiner Herzenssache machen. In Berlin engagierte er sich in den Bereichen Bildung und Forschung und verstand es hervorragend, Netzwerke zwischen Politikern und Wissenschaftlern zu knüpfen sowie Millionenbeträge in seine Heimatregion zu holen. Gleichzeitig jedoch verlor er über all den ersten Spatenstichen, Bäumchenpflanzen und Förderbescheidübergaben den Kontakt zu den Bürgern.

Dabei steht Kretschmer, der in seiner Freizeit an einem alten Umgebindehaus bei Zittau werkelt, für den konservativen Teil der Union. 2016 unterzeichnete er den „Aufruf zu einer Leit- und Rahmenkultur“, der auf die Tradition der Aufklärung, Nationalsymbole wie Fahne und Hymne und die deutsche Sprache setzt. Als Verfechter der traditionellen Ehe stimmte der ledige Vater gegen die Ehe für alle.

Von „deutschen Werten“, einem „starken Rechtsstaat“ und davon, daß „deutsche Ordnung nicht verhandelbar“ sei, spricht Kretschmer aktuell. Konservative Politik wird aber ohne absolute Mehrheit oder einen Juniorpartner FDP für die Sachsen-Union nicht möglich sein. Dazu kommen die ganz speziellen Probleme des designierten Ministerpräsidenten: Weder verfügt er über Erfahrung im Umgang mit der Ministerialbürokratie noch über eine Hausmacht in der Partei.