© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/17 / 20. Oktober 2017

Mahner für die Einigkeit von Kufstein bis Salurn
Heimatschutz auf der Sonnenseite des Brenners: Reinhard Olt hat einen imposanten Band über das Südtiroler Schützenwesen vorgelegt
Lukas Steinwandter

Als sich am 11. Juni Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit seinem italienischen Amtskollegen Sergio Mattarella in Bozen traf, um das 25jährige Jubiläum der Streitbeilegung um Südtirols Autonomie zu feiern, fehlte etwas sonst Landesübliches: die Schützen. Wo sonst beim „Tiroler Empfang“ blanke Stutzen aufblitzen, Schnaps eingeschenkt und Ehrensalven geschossen werden, blieben die Gläser leer und die Gewehre stumm. Südtirols Landeshauptmann (Ministerpräsident) Arno Kompatscher hatte darauf bestanden, die italienische Nationalhymne abspielen zu lassen. Schützen, die in ihrer pittoresken Montur eine österreichfeindliche Kampfeshymne mit einer Ehrensalve würdigen? Diese Ehrung kam für Landeskommandant Elmar Thaler nicht in Frage und erteilte Kompatscher eine Abfuhr. 

Es war nicht das erste Mal, daß sich die Südtiroler Schützen mit dem Staat anlegten, wie Reinhard Olt in seinem jüngsten Buch „Standhaft im Gegenwind – Der Südtiroler Schützenbund und sein Wirken für Tirol als Ganzes“ zeigt. Der Südtirol-Kenner konzentriert sich vor allem auf die jüngere Geschichte der Heimatschützer – insbesondere jene ab den 1990er Jahren. 

Italienische Versuche, Nord- und Südtiroler zu spalten 

Der ehemalige FAZ-Journalist kann darin auch mit bislang noch nicht publizierten Episoden aufwarten. Der ehemalige Hauptmann der Schützenkompanie Wilten bei Innsbruck, Dietmar Ganahl, schildert in einem Gedächtnisprotokoll, wie italienische Behörden aktiv versucht hatten, Nordtiroler Schützen auf ihre Seite und in Stellung gegen ihre Südtiroler Kameraden zu bringen. Mehrmals luden italienische Generäle und Offiziere Nordtiroler Schützen nach Bozen ein. So auch am letzten Oktoberwochenende 1992. Gahnal erzählt fassungslos: „Brigadier Fliri lobte die italienische Armee und bewunderte sie für das, was sie im Ersten Weltkrieg geleistet hatte, vornehmlich im Hochgebirgskrieg. Da ich mich, speziell in diesem Kapitel, wie ich meine, nicht so schlecht auskenne, glaubte ich, einen Tourismusreisenden reden zu hören.“ Doch es kam noch bizarrer. Die Woche darauf erhielt der Wiltener wiederum eine Einladung nach Bozen. 

Diesmal sollte er in Tracht bei einer Kranzniederlegung vor dem „Siegesdenkmal“ am 4. November teilnehmen – der Tag, an dem Neofaschisten den angeblichen Sieg Italiens über Österreich-Ungarn 1918 feiern. „Daß man mich für so dumm hielt, ärgerte mich maßlos“, kommentiert Gahnal. Ebenso sehr empörte ihn aber die Tatsache, daß einige Nord- und Osttiroler Führungsmitglieder den Verlockungen der Italiener erlegen waren. Die Südtiroler erfuhren freilich erst später davon. Gahnal zufolge zurrten die Schützen trotz und gerade wegen solch arglistiger Übernahmeversuche über die Landesgrenzen hinweg die Bande fester. 

Daß die Schützen nicht nur im Verbund Gegenwind aushalten, bewies ein medial vielbeachteter Vorfall im Pustertal. Zwei Schützen der Kompanie Ehrenburg gelang es im Juli 2007, polizeiliche Schikanen gegen Südtiroler nachzuweisen, die auf ihr Recht auf deutsche Muttersprache pochen. Bei einer Verkehrskontrolle bestanden sie darauf, mit den Carabinieri auf deutsch zu kommunizieren. Die Beamten focht das nicht an. Sie sprachen unbeirrt weiter: „Siamo in Italia“ und „Se ne va a Innsbruck e torna residente in Austria“. Sie wußten nicht, daß der Fahrer, Efrem Oberlechner, die ganze Zeit über ein Aufnahmegerät laufen ließ. Es sind chronologisch geordnete Geschichten wie diese, die eine kurzweilige Lektüre des aufwendig gestalteten Buches verheißen. Sie zeigen ebenso, wie schnell Schikanen gegen die Schützen in Vergessenheit geraten – aber auch ihr stetes Mahnen, die Tiroler Frage offen zu halten. 

Reinhard Olt: Standhaft im Gegenwind – Der Südtiroler Schützenbund und sein Wirken für Tirol als Ganzes. Effekt! Verlag, Neumarkt an der Etsch 2017, gebunden, 364 Seiten, Abbildungen, 25 Euro